Ausstellungseröffnung "Ecce Homo - Kreuzwege" von Rita Dendorfer, 1. Juni 2017 |
Gestern besuchte ich eine schöne Vernissage in der Oberen Bachgasse mit hervorragenden Künstlern und absolut sehenswerten Werken. Aber noch nachhaltiger beschäftigt mich eine Ausstellungseröffnung vom Tag davor, die viel unscheinbarer daher kam, und von der ich erzählen möchte:
"Ecce Homo - Kreuzweg zum Leben"
Ausgestellt wird ein Bilderzyklus von Rita Dendorfer - eine Serie, dich ich schon 2012 im Schloss Spindlhof als "Kreuzweg in 15 Stationen" erlebt habe.
Diesmal findet man die Bilder im hinteren Bereich der Stadtparrkirche Herz Marien in der Rilkestraße, und zwar in der Zeit vom 2.6. bis 8.9. 2017.
Bürgermeister Jürgen Huber gelang eine sehr lebendige und interessante Einführung bei der Eröffnung am 1. Juni.
"Die Bilder sind hervorragend geeignet, um darin spazieren zu gehen, und eigene Betrachtungen zum Thema Leidensweg anzustellen".
So ungefähr formulierte er Jürgen Huber, der bekanntlicherweise selbst Künstler ist, in seiner Einführung. Und diese und andere Gedanken arbeiten immer noch in mir nach.
Und darum möchte ich hier weniger über die Bilder selbst schreiben, deren Qualität ich schon an früherer Stelle Respekt zollte, sondern über das Thema "Leidenswege"- warum das Thema Ecce Homo es bis heute in der Kunst auftaucht, und was es mit "uns" zu tun hat.
Gut, zugegeben, mit "uns" meine ich schon die etwas älteren Mitmenschen. Denn je älter man wird, je mehr man sieht und miterlebt (oder gar selbst erlebt), desto klarer wird die Erkenntnis, dass dem Menschen Leidenswege vorprogrammiert zu sein scheinen. Auch wenn er reich und schön ist, gut verdient und Freunde hat.
Mit 20 dagegen sieht man die Welt meist positiver, denkt sich, die Schicksalsschläge, von denen man hört und liest, sind Ausnahmen. Besonderheiten, die nur einzelnen passieren, weit weg passieren. Oder halt im Film geschehen.
Tja, Pustekuchen. Wir Fortgeschritteneren wissen es besser. Leidenswege sind eher der Standard. Das sehen wir im Laufe des Lebens an Bekannten, Verwandten, über Kunden bzw. Mandanten, über Umschüler, die man als Dozent kennenlernt (damit meine ich meine 27 jährige Tätigkeit in einem Berufsförderwerk, in der ich ein viele hunderte Lebensschicksale mitbekommen habe), über die Mitwirkung in sozialen Vereinen, oder einfach über die Zeitung - und manche erleben ihre Leidenswege gar am eigenen Leib.
Was ist eigentlich ECCE HOMO und warum ist es in der Kunst so verbreitet?
Mit dem Hinweis Ecce homo (deutsche Aussprache "ektse hοmo") stellt nach dem Johannesevangelium der römische Statthalter Pilatus dem Volk den gefolterten, in purpurnes Gewand gekleideten und mit einer Dornenkrone "gekrönten" Gefangenen Jesus von Nazaret vor, weil er keinen Grund für dessen Verurteilung sieht.
Pilatus ging wieder hinaus und sagte zu ihnen: Seht, ich bringe ihn zu euch heraus; ihr sollt wissen, dass ich keinen Grund finde, ihn zu verurteilen. Jesus kam heraus; er trug die Dornenkrone und den purpurroten Mantel. Pilatus sagte zu ihnen: Seht, da ist der Mensch! Als die Hohenpriester und ihre Diener ihn sahen, schrien sie: Ans Kreuz mit ihm, ans Kreuz mit ihm! Pilatus sagte zu ihnen: Nehmt ihr ihn und kreuzigt ihn! Denn ich finde keinen Grund, ihn zu verurteilen. (Johannes, 19, 4 -6)
Bis heute ist das Motiv "Ecce Homo" mit dem Thema des Leidensweg von Jesus als Mensch ein zentrales Thema in der Kunst.
Ob Malerei oder Skulptur, bis in die Gegenwart beschäftigen sich Künstler damit. Früheste Nachweise gibt es ab dem 9. Jahrhundert. Alle großen Maler haben sich damit auseinandergesetzt: Rembrandt, Rubens, Dürer, Caraveggio, Bosch, Holbein, Tizian. Und aus der neueren Zeit: Otto Dix, Lovis Corinth, Garcia Martinez, oder George Grosz, der ein 100-teiliges Werk erstellte.
Die Szene von Ecce Homo, die Verspottung oder Vorführung von Jesus, ist auch der Ausgangspunkt für den Kreuzweg, also die Passionsgeschichte, die Stationen des weiteren Leidenswegs bis zur Kreuzigung. Darum geht es eigentlich in dem Bilderzyklus - um die Kreuzwegstationen, die mal mit 14 mal mit 15 Stationen dargestellt werden (weshalb wohl das 15. Bild ein wenig mehr Abstand hat als die restlichen Bilder).
In den letzten beiden Jahrhunderten haben Künstler das Thema ECCE HOMO über das biblische Geschehen hinaus erweitert, und thematisieren z.B. mit "Ecce-Homo"-Werken das Leiden und die Entwürdigung des Menschen durch Gewalt oder Krieg allgemein. Oder das Phänomen, dass der Mensch typischerweise Leidenswege überstehen muss - das scheint im Großen und Ganzen vorprogrammiert zu sein, und zwar bis heute, trotz Wohlstand und Medizin.
Und darum ist das Motiv so vielseitig, und interessiert weit mehr Menschen, als nur Gläubige: man kann sich bei der Betrachtung von Passions-Bildern einerseits über Märtyrer Gedanken machen, die sich für andere opfern (wie Jesus), oder aber auch über die Gefangennahme und Folterung von politischen Gegnern, oder über die Leidenswege von Verwandten, Bekannten oder der eigenen Person. Man kann sich über die Schicksalshaftigkeit im allgemeinen Gedanken machen, oder über die psychologischen Aspekte: wie kann der Mensch mit Schicksalen fertig werden?
Jürgen Huber, Einführung zur Ausstellung Ecce Homo, 1.6.2017 |
Glockenturm Herz Marien Kirche, Rilkestraße |
Interessante Gespräche mit aufgeschlossenen, sympathischen Leuten. |
Rita Dendorfer, die ausstellende Künstlerin |
Links:
http://www.regensburger-tagebuch.de/2012/11/bilder-von-der-vernissage-in-spindlhof.html
http://www.regensburger-tagebuch.de/2012/11/vernissage-in-spindlhof-am-21-november.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Ecce_homo