Der Regensburger Künstler Kurt Raster, Gründer des ueTheaters (www.uetheater.de) stellte ein neues Stück vor:
"Elly Maldaque, denn du bist nicht Deutschland"
Regensburg, Weimarer Republik. Elly
Maldaque, eine engagierte Volksschullehrerin, interessiert sich für
aufklärerische Ideen. Die Polizei beauftragt Hakenkreuzler, sie zu
bespitzeln. 1930 wird Elly Maldaque von der Schulbehörde fristlos
gekündigt. Ihr Verbrechen: Klavierspielen bei einer kommunistischen
Singrunde. Sie erleidet einen Nervenzusammenbruch und stirbt wenig
später im Krankenhaus Karthaus. Tausende Regensburger und
Regensburgerinnen nehmen an ihrer Beerdigung teil. Der Fall schlägt
republikweite Wellen. .
Das Stück untersucht die Parallelen zur heutigen Zeit:
Damals verfolgte Kommunisten und verharmloste Rechte, heute
verharmloster Rechtsradikalismus in Politik und Alltag.
Ich habe es gesehen. Bei der Premiere, vorgestern (1.11.06).
Weniger die (gut gespielten) Alltagsnaziszenen oder die sehr interessanten beiden Interviews einer Soziologin mit je einem dieser Alltagsrechten, sondern vor allem die gestellten Podiumsdiskussionen -die im Gegensatz zu den chaotisch verlaufenden echten Fernsehdiskussionen in jeder Sekunde spannend sind, haben mich schwer beeindruckt, mir viel zum Nachdenken gegeben und mir klar gemacht, wie die Denkweisen der gesellschaftlichen Gruppen verläuft.
In einer wunderbaren Collage von Alltagsszenen,
Videosequenzen mit Maldaque-Monologen, Protokollzitaten und vor allem
immer wieder eingefügten, spannend gespielten "Podiumsdiskussionen"
zeigten mir Kurt Raster und seine umfangreiche Schauspielertruppe -
ohne jegliche Schwarzweißmalerei und sehr fein beobachtend - wie auch
heute der aufstrebende Rechtsradikalismus ignoriert und verharmlost
wird. Und das ist für mich, der glaubte, das Problem ausreichend
einschätzen zu können, eine verdammt große Überraschung.
Weniger die (gut gespielten) Alltagsnaziszenen oder die sehr interessanten beiden Interviews einer Soziologin mit je einem dieser Alltagsrechten, sondern vor allem die gestellten Podiumsdiskussionen -die im Gegensatz zu den chaotisch verlaufenden echten Fernsehdiskussionen in jeder Sekunde spannend sind, haben mich schwer beeindruckt, mir viel zum Nachdenken gegeben und mir klar gemacht, wie die Denkweisen der gesellschaftlichen Gruppen verläuft.
Ganz entscheidend dafür, dass ich jeden Satz ernst
nehmen konnte und das Stück mich so schwer begeisterte, war, dass die
Szenen wirklich niemals plakativ waren, schwarz-weiß. In den
inszenierten "Podiumsdiskussionen" waren weder die Vertreterin der
früheren Opfer eindeutig "weiß", noch die der Sprecher der Kirche, der
Politik, der Wirtschaft, der Rechtspolitiker etc. in allen Aussagen
eindeutig sympathisch oder unsympathisch . So jedenfalls meine
Einschätzung. Falls das gar nicht gewollt war, dann steht für mich
zumindest fest, dass es gut beobachtet und realistisch wiedergegeben
war.
Wie ich nach der Premiere
errfuhr, waren die einzelnen Aussagen der Sprecher echten
Fernsehdiskussionen entnommen - was sicher zum Realistischen beitrug.
Danach war aber mein Respekt vor dem "Schreiber" dieses Stücks noch
höher, denn diese vielen Zitate (es waren sehr umfangreiche Blöcke) so
zusammenzufügen ist noch viel schwerer, als sich etwas komplett Neues
auszudenken. Und sie so zusammenzufügen, dass sie gleichermaßen spannend
und informativ und gedankenanregend sind, lässt mich völlig verblüfft
und ehrfürchtig zurück (jawohl, Herr Raster, auch wenn ich weiß, wie
sehr Du das herunterspielst).
Form und Inhalt, heißt es.
Vom Inhalt her habe ich begriffen, dass das Thema Rechtradikalismus tatsächlich gewaltig verharmlost wird und die Vergleiche mit der Verharmlosung der Hitlerpartei NICHT übertrieben sind. Habe einen Einblick in die Psyche einzelner (mitlaufender) Alltagsradikaler bekommen, so wie sie sonst nur Soziologen und andere Fachleute haben, die sich hautnah mit diesen Leuten auseinandersetzen.
Von der Form her habe ich überrascht festgestellt, dass eine gespielte Podiumsdiskussion, wenn sie wirklich durchdacht ist und nicht nur satirisch oder plakativ anklagend, die Problematik eines Themas so gut wiedergeben kann, wie es kein Aufsatz, kein Film, keine Rede und keine echte (ungesteuerte) Diskussion kann, und dies auch noch spannend-unterhaltsam. Schalte ich normalerweise in einer Fernsehdiskussion nach 10 Minuten entnervt um, blieb ich hier Satz für Satz am Ball und kam aus dem Nachdenken nicht mehr heraus.
Nochmals von der Form her war ich ab der zweiten Szene erschlagen von der Qualität und der Kombination der einzelnen Szenen und Videosequenzen; von der schauspielerischen Qualität der Maldaque-Darstellerin in den Videosequenzen, die man locker für eine Kurzfilmwoche einsenden könnte, und dies, obwohl die Schauspielerin über längere Szenen hinweg für diese absolut schnittfreien (!) Filmaufnahmen durchhalten musste.
Ich muss es zugeben, und ich beichte es hiermit: ich hatte keine großen Erwartungen an die Aufführung, sondern ging wegen meines Sohnes hin. Theater für Studenten halt, dachte ich (wohl wissend, dass es kein reines Studenentheater ist), die üblichen sozialkritischen Themen, hier der aufkommende Rechtsradikalismus, über die man aufklären muss, na ja, für jemand wie mich, der nach dem Studium weitere 30 Jahre durchs Leben ging und viele ausländische Freunde hat, kaum ein Thema, das neues bringen dürfte. Das alles wird wahrscheinlich plakativ sein, dachte ich, so wie es sich gehört, und natürlich mit schockierenden Gewaltszenen, damit die Leute wachgerüttelt werden. Durch die muss ich durch, dachte ich mir, empfindlich wie ich bin. Die Ankündigung auf der Webseite des Autors hat mich in allem bestätigt.
Und es gäbe wohl noch einiges zu sagen, aber ich denke mir: wer es wissen will, kann es sich noch ansehen. Heute, morgen und übermorgen.
Vom Inhalt her habe ich begriffen, dass das Thema Rechtradikalismus tatsächlich gewaltig verharmlost wird und die Vergleiche mit der Verharmlosung der Hitlerpartei NICHT übertrieben sind. Habe einen Einblick in die Psyche einzelner (mitlaufender) Alltagsradikaler bekommen, so wie sie sonst nur Soziologen und andere Fachleute haben, die sich hautnah mit diesen Leuten auseinandersetzen.
Von der Form her habe ich überrascht festgestellt, dass eine gespielte Podiumsdiskussion, wenn sie wirklich durchdacht ist und nicht nur satirisch oder plakativ anklagend, die Problematik eines Themas so gut wiedergeben kann, wie es kein Aufsatz, kein Film, keine Rede und keine echte (ungesteuerte) Diskussion kann, und dies auch noch spannend-unterhaltsam. Schalte ich normalerweise in einer Fernsehdiskussion nach 10 Minuten entnervt um, blieb ich hier Satz für Satz am Ball und kam aus dem Nachdenken nicht mehr heraus.
Nochmals von der Form her war ich ab der zweiten Szene erschlagen von der Qualität und der Kombination der einzelnen Szenen und Videosequenzen; von der schauspielerischen Qualität der Maldaque-Darstellerin in den Videosequenzen, die man locker für eine Kurzfilmwoche einsenden könnte, und dies, obwohl die Schauspielerin über längere Szenen hinweg für diese absolut schnittfreien (!) Filmaufnahmen durchhalten musste.
Wie ich erfuhr (aus gewöhnlich gut
unterrichteten Kreisen natürlich) sind wohl alle Schauspieler
Laienschauspieler. Das war für mich während des Stückes nicht klar.
Ich muss es zugeben, und ich beichte es hiermit: ich hatte keine großen Erwartungen an die Aufführung, sondern ging wegen meines Sohnes hin. Theater für Studenten halt, dachte ich (wohl wissend, dass es kein reines Studenentheater ist), die üblichen sozialkritischen Themen, hier der aufkommende Rechtsradikalismus, über die man aufklären muss, na ja, für jemand wie mich, der nach dem Studium weitere 30 Jahre durchs Leben ging und viele ausländische Freunde hat, kaum ein Thema, das neues bringen dürfte. Das alles wird wahrscheinlich plakativ sein, dachte ich, so wie es sich gehört, und natürlich mit schockierenden Gewaltszenen, damit die Leute wachgerüttelt werden. Durch die muss ich durch, dachte ich mir, empfindlich wie ich bin. Die Ankündigung auf der Webseite des Autors hat mich in allem bestätigt.
Aber das kam alles anders. Alles. Und schon nach der ersten Hälfte war
ich so erschlagen von der Fülle an Überraschungen über Form und Inhalt
des Stückes, dass ich mich in der Pause abseits setzte, um mit niemand
reden zu müssen.
Und es gäbe wohl noch einiges zu sagen, aber ich denke mir: wer es wissen will, kann es sich noch ansehen. Heute, morgen und übermorgen.
Aufführungen: 1. - 5. November 2006 in den Räumen des "Theater an der Uni" in Regensburg
Interessante Einzelheiten über das Theater an der Uni,
das in Wirklichkeit kein eigenständiges Theater ist, sondern
Sammelbegriff von vielen Theatergruppen, die dort die Räume benutzen
dürfen, erfährt man auf den Seiten von Kurt Raster, www.uetheater.de
Regensburg, 3.11.2006