Regensburger Tagebuch

Notizen von der nördlichsten Stadt Italiens

Samstag, 12. Januar 2013

Historisches Regensburg: 8 Meter Darstellung der Stadt 1630

Das ist ein absolutes Schmankerl für jeden Regensburger: die zwei Rollen aus dem Jahre 1630 mit der Nordansicht der Stadt Regensburg, jede 4 m breit und 40 cm hoch. Der Titel ist bei heutigem Sprachgebrauch missverständlich:

"Abriss der Stadt Regensburg", 

oder "Abriss der Stadt Regensburg östlich und westlich der Steinernen Brücke", wobei mit Abriss nur die "Ansicht" gemeint ist.

Vielleicht haben Sie schon die Replik im Salzstadel gesehen, wo die einzelnen Abschnitte vergrößert dargestellt sind.



Ein Abschnitt aus dem "Abriss der Stadt Regensburg",
hier 2. Rolle, westlicher Teil, westlich der Oswaldkirche, Image 3.5

Die Originalrollen liegen in der Bayerischen Staatsbibliothek in München. Im Internet gibt es schon seit Jahren hochauflösende Scans. Man kann sie u.a. bei Wikimedia finden, wo Bilder für Wikipedia-Artikel gehortet werden.

Ich habe diese Bilder oft angesehen und studiert, mit Bekannten die Details diskutiert und mit googleEarth-Ansichten verglichen. Außerdem habe ich im Jahre 2009 mit Fotodokumentationen der Strecke begonnen, ferner arbeite ich an einer Gigapixel-Bildmontage3. Und ich bin durchaus noch nicht fertig damit, die Details zu studieren und die Bezüge zu recherchieren, so spannend sind die Bilder.


Mittlerweile habe ich soviel Material gesammelt, dass ich mit einer Artikelserie beginnen kann. Anstoß war der heutige Spaziergang mit Yorki, bei dem ich auch das Weltkulturerbezentrum im Salzstadel besucht habe. Nutzen Sie doch mal einen schlechtwettrigen Sonntag und sehen Sie dort vorbei. Sie können gut eine Stunde damit verbringen, die Orte auf der Bilderstrecke zu identifizieren.




Das Wort "Abriss" ist hier im Sinne einer "Ansicht" verwendet. Die Rollen stellen also eine "Ansicht der Stadt Regensburg" von Norden dar, eine detaillierte, topographisch genaue Wiedergabe der  Bauwerke der Stadt mit Stadtmauern und -toren und Vorgelände. Sie ist belebt mit Staffage-Figuren und Genreszenen.





Die Bilder findet man zum Beispiel auf der wikimedia-Seite, wo Bilder für Wikipedia-Artikel gespeichert sind: http://commons.wikimedia.org/wiki/Category....



Das Ganze stammt aus dem Jahr 1630 und basiert auf einer Stadtansicht von Georg Bahre, die in den Rollen repliziert und erweitert wurde.

Offenbar sind die Rollen wie folgt gegliedert:

1. Rolle: Abriss der Stadt Regensburg östlich der Steinernen Brücke, möglicherweise noch bis zur Westansicht der Brücke
2. Rolle: Abriss der Stadt Regensburg westlich der Steinernen Brücke

In beiden Rollen wird die Ansicht der Stadt von Norden her gezeigt, also vor allem die nördliche Stadtmauer, direkt an der Donau angrenzend. Die erste Rolle zeigt die Stadt "links" von der Steinernen Brücke, also östlich, die zweie Rolle "rechts" von der Brücke, also den westlichen Teil.




Montage aller Einzelbilder, Trennung bei der Steinernen Brücke
(nicht notwendig beim Ende der ersten Rolle)

Die östliche Rolle endet und die westliche Rolle beginnt bei der Steinernen Brücke, wobei die 90-Grad-Punkte an der Brücke perspektivisch verzerrt werden. Der Betrachter macht also einen Schwenk, zeichnet auf dem Papier aber normal weiter.


vorletztes Blatt der ersten Rolle (östlich der Brücke); links im Bild: heutige Thundorfer Str., Mitte: Salzstadel, rechts angrenzend die Steinerne Brücke; diese grenzt in Wirklichkeit im 90-Grad-Winkel an

2. Abschnitt: Steinerne Brücke von der westlichen Seite aus gesehen, übergehend in die Stadtmauer am Ufer entlang. Verwirrend: der "Salzstadel" ist nur der westliche Teil des gesamten Salzstadel-Komplexes, und wurde später baulich stark verändert.
Um eine Dia-Show zu ermöglichen, habe ich die Bilder in ein Picasa-Webalbum hochgeladen und sortiert:






Die Bayerische Staatsbiblitohek zu diesen Rollen (Cod.icon. 198)

Man kann die Bilder auch auf der Webseite des Bayerischen Staatsbibliothek ansehen: Digitalisat auf den Seiten der Bayerischen Staatsbibliothek:Sie können dieses Werk hier vollständig online ansehen (Exemplar mit Signatur: Cod.icon. 198). Dabei müssen Sie durch die einzelnen Scans blättern, eine Übersicht wie bei wikicommons gibt es nicht.

Die Bayerische Staatsbiblitohek schreibt zu diesen Rollen (Cod.icon. 198):
Abriß der Stadt Regensburg östlich und westlich der Steinernen Brücke
München: Hof- und Staatsbibliothek – 2 Bl – I. Regensburg : 1630 II. Regensburg : 1630

Besonderheiten: Die Hs besteht aus 2 Rollen, die als je ein Teil (Faszikel) behandelt werden, aber fortlaufend aneinanderschließen. Die Blattangaben 1r-7r für Teil I und 8r-15r für Teil II bezeichnen die insgesamt 15 Abschnitte, in die sich die Digitalisierung der Recto-Seiten der beiden Rollen gliedert. Entsprechendes gilt für die Beschriftung der Verso-Seite von Teil I.

Einband: In Kapseln.

Provenienz und Geschichte: Nach der Schrift des Eintrags im Repertorium J.A. Schmellers (siehe Kurzverzeichnis) wurden die beiden Rollen unter dem Bibliothekar Wilhelm Meyer (tätig 1867-1886) in den Fonds der Codices iconographici der Hof- und Staatsbibliothek München aufgenommen.

Literatur zur Handschrift:

Forschungsdokumentation Handschriften


1. Teil: Bl. 1r-7r

Kodikologie: Papier. 37,5 × 328,5 cm. 10 Streifen von dreimal 49, 4, 15, 41, 31, 18, 49 und 23,5 cm der Breite querrechteckig montiert, dabei der 5. Streifen à 15 cm vollständig und der 8. Streifen zu 6 cm Breite jeweils überlappend mit dem anschließenden.

Entstehungsort und -zeit: Regensburg 1630

Ausstattung: Bl. 1r7r Ansicht der Stadt Regensburg von Norden - östlicher Teil. Detaillierte topographisch genaue Wiedergabe der bezeichneten Bauwerke der Stadt mit Stadtmauern und -toren und Vorgelände, belebt mit Staffage-Figuren und Genreszenen.

Bl. 1r Beginnend im Osten östlich der Ostenbastei: Burgfried, Härding, Weinfing, Weinfing Holz, Bruderwörth, St. Nikolaus bis Isling.

Bl. 2r Steinbruch und Hochgericht mit Galgen bis Ostentor.

Bl. 3r Kapuzinerkirche bis Leerer Beutel.

Bl. 4r Donauvorgelände, Hölzerne Brücke mit Tor bis Salzstadel. [Anmerkung Burkes: Hölzerne Brücke = heutige Eiserne Brücke am Donaumarkt]

Bl. 4ar Variante Unterer Wöhrd und Hölzerne Brücke bis Salzstadel.

Bl. 5r Waller Wacht-Hof, Dom bis Salzstadel.

Endend im Westen mit Bl. 6r7r Dom und, den Ohmturm überlappend, Salzstadel, Posthaus und der Steinernen Brücke gegen Osten.

Bl. 1v und Bl. 2v Steinerne Brücke gegen Westen.

Bl. 7r und Bl. 1v Fama bzw. Genien als Wappenhalter der Wappen der Stadt Regensburg und des Reiches.

Erweiterte Replik des ersten Teils der lavierten Federzeichnung von Hans Georg Bahre von 1630 (zu diesem AKL : VI, 1992, 299) Regensburg, Historisches Museum: G 1983/59. .

Tuschzeichnung.

Beschreibung: Die unbekannte Replik der Stadtansicht Hans Georg Bahres von 1630 wiederholt bis in die Details der Architektur, der Beischriften, Wappenkartuschen und der mit Tieren, Pflanzen und Menschen belebten Landschaft und Genreszenen die Fassung Regensburg, Historisches Museum: G 1983/59, jedoch östlich über das Hochgericht hinaus und westlich mit der beidseitigen Ansicht der Steinernen Brücke erweitert.

Literatur: Zu dieser Stadtansicht Hans Georg Bahres Bauer 1997 : S. 894 Nr. 13.
2. Teil: Bl. 8r-15r

Kodikologie: Papier. 37,5 × 355,5 cm. 9 Streifen von 24,5, zweimal 50, 46, 49,5, 50, 45,5, 9,5 und 30,5 cm der Breite querrechteckig montiert.

Entstehungsort und -zeit: Regensburg 1630

Ausstattung: Bl. 8r15r Ansicht der Stadt Regensburg von Norden - westlicher Teil. Detaillierte topographisch genaue Wiedergabe der bezeichneten Bauwerke der Stadt und Vorgelände, belebt mit Staffage-Figuren und Genreszenen.

Bl. 8r Beginnend im Osten mit dem Ohmtürlein westlich der Steinernen Brücke.

Bl. 9r Mautturm bis St. Oswald.

Bl. 10r St. Oswald bis Jakobstor.

Bl. 11r St. Leonhard bis Ballhaus.

Bl. 12r Kartäuserkloster Prüll bis Prebrunn.

Endend im Westen anschließend an den Schopperturm Bl. 13r mit dem Burgfried Bl. 14r , Benediktinerkloster Prüfening, dem Weiler Prüfening und Bl. 15r an der Naabmündung den Flecken Sintzing , Urfar , Orth , Kneitung und Oberwintzer .

Erweiterte Replik des zweiten Teils der lavierten Federzeichnung von Hans Georg Bahre von 1630 Regensburg, Historisches Museum: G 1983/59 . Auf Streifen 7 vier Staffage-Figuren bez. HG. MM. IR und der letzte HGB (Hans Georg Bahre ?).

Tuschzeichnung.

Beschreibung: Detailgenaue Replik des zweiten Teils der Stadtansicht Hans Georg Bahres in der Fassung des Historischen Museums in Regensburg (Regensburg, Historisches Museum: G 1983/59) , ebenfalls 1v 1630 datiert, jedoch nach Osten über den Schopper hinaus mit den Weilern an der Naab erweitert, die Beischrift von anderer Hand. Die Rubrik auf der Rückseite entspricht nach KDB : II, 22, 1 (Oberpfalz Regensburg), S. 35 dem Titelwortlaut einer Federzeichnung von Matthäus Eimart (AKL : XXXIII, 2002, 1) im Historischen Verein von Regensburg. Da nach Thieme-Becker Eimart erst 1640 geboren und 1707 zuletzt erwähnt wird (zu ihm Otto Hupp, Kunstschätze des Regensburger Rathauses. Regensburg 1910, S. 14 und 31 mit Abb.), müßte die Replik retrospektiv sein, was nicht ungewöhnlich ist.

Literatur: Zu dieser Stadtansicht Hans Georg Bahres Bauer 1997 : S. 894 Nr. 13 mit Abb. S. 893. Regensburg. Geschichte in Bilddokumenten. Hg. Andreas Kraus und Wolfgang Pfeiffer. München 1979, Nr. 270.

Empfohlene Zitierweise: Marianne Reuter, Beschreibung der Handschrift Cod.icon. 198, in: BSB-CodIcon Online (Sun Jan 13 19:10:58 CET 2013).
Letzte Änderung der Daten: 8. September 2010.

Fortsetzung


Im nächsten Artikel dieser Serie zeige ich die Teilkarten auf der GoogleEarth-Satellitenkarte und beginne die einzelnen Sequenzen detaillierter zu zeigen.