Regensburger Tagebuch

Notizen von der nördlichsten Stadt Italiens

Dienstag, 31. Dezember 2013

In neuem Glanz - Dreieinigeitskirche


Ende der Sanierung der Dreieinigkeitskirche in der Gesandtenstraße - die Wiedereröffnung nach fünfjähriger Sanierung fand am  8.12.2013 statt - mit spektakulärem Aufwand:

Genau wie bei der Ersteinweihung im Jahre 1631 (auch ein 8. Dezember) sangen 3 Chöre mit insgesamt 200 Sängern auf den Emporen in dieser Kirche genau die Komposition, die vor 382 Jahren  für die Einweihung komponiert wurde.


200 Sänger in einer Kirche, die sowieso schon für ihre Akustik bekannt ist (als ich noch Chormitglied im Heart-Chor war, sangen wir einmal dort). Da sprachen die Beobachter von Gänsehautfeeling. Schade, dass ich keine Zeit hatte.

Was war noch bei der Feier? Ein Posaunenchor, 1000 Gäste, viel Prominenz.


Aber auch die Kirche selbst ist interessant. 

  • Haben Sie gewusst, dass sie zwei Türme hat, nicht nur einen? Der zweite ist von der Gesandtenstraße aus kaum sichtbar, da unvollendet und somit kleiner.
  • Und wussten Sie, dass die Kirche eine völlig neue Architektur einleitete und - mit leichten Abwandlungen - sogar zur Musterkirche für evangelische Kirchenarchitektur wurde? Es gab kein Mittelschiff, das von zwei Seitenschiffen flankiert wird. Die Säulen hätten verhindert, dass alle Kirchenbesucher den Altar und die Predigerkanzel sehen können.

    Daher die Erfindung diese säulenlosen Kirche, ein so genannter Hallenbau. Entworfen hat das der Nürnberger Architekt Johann Carl. Dass die Predigerkanzel und der Altar von Jedermann gesehen werden soll, ist nicht einfach so ein Gedanke gewesen, sondern spiegelt die (eher volksdemokratische) Philosophie des evangelischen Denkens wieder.

    Deshalb gab es  (bis in das 20. jahrhundert hinein) eine evangelische und eine katholisch Kirchenarchitektur.
  •  Auch die Emporen links, rechts und hinten, sind interessant. Nicht nur weil sie kunstfertig gemacht wurden, sondern weil sie auch für das gemeine Volk begehbar waren und nicht nur für die Prominenz. Und sie waren eigens konstruierte Balkone, und nicht Nebeneffekt der klassischen Architektur, wonach über den Gewölben der Seitenschiffe manchmal noch der Raum als Empore ausgenutzt wurde.
  • Wussten Sie, dass diese evangelische Kirche (neben den katholischen kirchen in Regensburg) den Immerwährenden Reichstag ermöglichte, weil viele der Gesandten protestantisch waren und hier sich trotzdem niederlassen konnten?
  • Wussten Sie, dass die Kirche auch ökumenischen Charakter hat? Der Name "Dreieinigkeit" symbolisierte  die Offenheit für alle christlichen Religionen, die Bereitschaft zum Dialog. Der dreieinige Gott ermutigt den Menschen zum Facettenreichtum. Der Mensch solle versuchen, Trennendes zu überwinden. Lateinischer Schriftzug an der Stuckdecke: Heilige Dreieinigkeit.



Zur Ersteinweihung vor fast 400 Jahren:

Anfang des 17. Jahrhunderts wurde dann in der Gesandtenstraße als erster protestantischer Kirchenbau in Deutschland die Dreieinigkeitskirche errichtet.

Der damalige Kantor Homberger hatte extra den Psalm 84 neu vertont. Und nicht irgendwie: Zum festlichen Ereignis durfte es im Jahr 1631 schon mal 15-stimmig werden, verteilt auf drei Chöre im ganzen Kirchenschiff.

Die Regensburger Kantorei (das ist der Chor, der speziell in dieser Kirche residiert), der Raselius-Chor und der Universitätschor sangen bei der Wiedereröffnung das neu einstudierte alte Chorstück. Kantor Roman Emilius hat es eigens für die Wiedereröffnung in moderne Notenschrift gebracht. Zitat aus einem MZ-Bericht: "Plötzlich setzen alle 200 Sänger gleichzeitig ein: Klangfluten füllen den riesigen Kirchenraum – Gänsehaut-Feeling!"


Warum war die Sanierung notwendig?

Der Zahn der Zeit hatte an Mauerwerk und Gebälk genagt, eindringendes Wasser hat an Decke und Wänden großflächig seine Spuren hinterlassen. Und die Elektrik war brandgefährlich.

Das Dachgewölbe war der erste Abschnitt der Sanierung. Alles, was mit der Statik zu tun hat, gehört dazu. Beispielsweise die Emporen, die seit Jahren bei Konzerten nicht mehr genutzt werden durften. Tragende Balken, die ins Mauerwerk gehen, waren angefressen, von Schwamm und Holzwürmern befallen.

Die Kirchenmaler gingen ans Werk und beschäftigen sich mit der Decke, an der sich großflächige Feuchtigkeitsflecken breitgemacht haben. Anschließend waren die Wände dran, ebenfalls eine Aufgabe für die Kirchenmaler. Erstaunlicherweise sind die Teilvergoldungen der Engelsköpfe noch so gut, dass sie im Original erhalten werden können.

Schritt drei war die Restaurierung, Instandhaltung und Pflege des alten Holzes, das in Decken- undWandvertäfelungen, in den Bänken und im Orgelprospekt erhalten ist.

Schritt vier war alles, was mit Strom zu tun hat: Heizung, Beleuchtung, Lautsprecheranlagen. Lautsprecher? Ja, auf der Empore steht nämlich nur der leere Orgelprospekt ohne Werk. Das Instrument aus den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts lohnt die 50.000 Euro für die Reinigung nicht mehr. Eine neues Orgelwerk wird allerdings ein bis zwei Millionen Euro kosten. Pfarrer Schulte hat einen Traum: 2017 wird das Jubiläum 500 Jahre Reformation gefeiert – am liebsten in der fertig sanierten Dreieinigkeitskirche mit neuer Orgel.

Weiteres zur Kirche in einem gesonderten Artikel.




http://www.mittelbayerische.de/region/regensburg/artikel/raritaet-zur-wiedereroeffnung-zu-hoeren/985737/raritaet-zur-wiedereroeffnung-zu-hoeren.html

http://www.mittelbayerische.de/region/regensburg/artikel/dreieinigkeitskirche_kleinod_w/640978/dreieinigkeitskirche_kleinod_w.html

http://www.mittelbayerische.de/region/regensburg/regensburg/artikel/zur-wiedereroeffnung-erklang-eine-raritaet/993237/zur-wiedereroeffnung-erklang-eine-raritaet.html

http://www.mittelbayerische.de/region/regensburg/artikel/kirche-ohne-musik-gibt-es-fuer-mich-nicht/986078/kirche-ohne-musik-gibt-es-fuer-mich-nicht.html

http://www.mittelbayerische.de/nachrichten/kultur-ressort/artikel/ein-fast-rauschhaftes-raumklangerlebnis/993631/ein-fast-rauschhaftes-raumklangerlebnis.html

















Der zweite Turm der Kirche









Wikipedia:

Der Bau der Dreieinigkeitskirche (damaliger Name: Kirche zur Heiligen Dreifaltigkeit) in der Altstadt von Regensburg wurde 1627 mitten während des Dreißigjährigen Krieges als einer der ersten evangelisch-lutherischen Kirchenneubauten in Bayern begonnen und konnte bereits 1631 kurz vor der Einnahme Regensburgs durch die Schweden und der Rückeroberung der Stadt durch ein kaiserliches Heer abgeschlossen werden. Der Bau war finanziell möglich geworden, nachdem die Evangelische Kirche die vom Rat der Stadt beschlossene, gemeinsame Nutzung der Dominikanerkirche St. Blasius 1628 mit den Dominikanern beenden konnte. Diese waren nunmehr bereit, eine finanzielle Entschädigung zu leisten. Außerdem hatte sich die evangelische Gemeinde sehr stark vergrößert, weil viele aus Böhmen und Österreich vertriebene Protestanten in Regensburg Zuflucht gefunden hatten. Auch diese Exulanten unterstützten den Bau der Kirche mit erheblichen Mitteln.

Der Nürnberger Architekt Hanns Carl errichtete die Kirche als säulenlosen Saalbau mit umlaufenden Holzemporen, deren Dachstuhl, Gestühl und Inneneinrichtung noch heute im Originalzustand erhalten ist. Die Sakristei stammt aus dem Jahr 1755. Die Orgel wurde 1758 vom Regensburger Orgelbauer Franz Jakob Späth eingebaut. Sie wurde 1892 von einer Orgel mit zwei Klaviaturen und 32 Registern des Nürnberger Orgelbauers Johannes Strebel abgelöst. Ende des 17. Jahrhunderts entstand noch ein abgeschlossenes Oratorium, von dem aus die Fürstin Therese von Thurn und Taxis, die Ehefrau des Prinzipalkommissars, dem Gottesdienst folgen konnte. Sie stammte aus dem Fürstenhaus Mecklenburg-Strelitz und war nach ihrer Heirat protestantisch geblieben.



Grabmäler südlich der Kirche

Östlich und südlich der Kirche befindet sich der kleine, idyllische sogenannte Gesandtenfriedhof, auf dem ausschließlich adelige, protestantische Gesandte zum Immerwährenden Reichstag zu Regensburg und ihre Familienangehörigen begraben wurden, die während ihres Aufenthaltes in Regensburg gestorben sind. Für den Zeitraum 1640 bis 1790 sind fast hundert Begräbnisse namentlich nachweisbar. Die barocken Grabmäler und Inschriften einiger besonders berühmter und reicher Gesandter sind erhalten bzw. dokumentiert.

Eine Gedenkplakette weist auf Graf Hans Ulrich von Schaffgotsch hin, der 1635 als Anhänger Wallensteins auf dem Haidplatz enthauptet und hier beerdigt worden war.

Die Dreieinigkeitskirche ist Hauptaufführungsort der Regensburger Kantorei.

Der Turm der Kirche ist im Sommer als einziger Kirchturm im Stadtgebiet von Regensburg begehbar. Von ihm aus hat man einen prächtigen Rundblick über die Dachlandschaft von Regensburg und zu den Donauhängen bis hin zur Walhalla.