Regensburger Tagebuch

Notizen von der nördlichsten Stadt Italiens

Samstag, 24. Mai 2014

Was ist überhaupt der Katholikentag

Nein - das ist keine kirchliche Veranstaltung. Das dachte ich vorher auch, das glauben viele. Es ist eher ein Gegenstück: eine kritische Veranstaltung der Laien, der Basis. Entstanden im Jahre 1848. Die Evangelen haben auch so einen Kirchentag. Auch von der Basis. Dort heißt es "Evangelischer Kirchentag", bei den Katholikn heisst es "Katholikentag".

Am Bahnhof Rosenkranz zu verkaufen ist also Blödsinn. Die Leute, die da ankommen, sind kritisch, aufgeschlossen, so wie Du und ich, keine bigotten Supergläubigen.

Kritisch zu sein gegenüber den Würdenträgern - das ist auch der Sinn der Veranstaltung. Würdenträger der Kirche sind hier eher Gäste, geladene Teilnehmer bei den Podiumsdiskussionen, und gehen solchen Tagen mit gemischten Gefühlen entgegen. Man kann sich selbst darstellen, Werbung für die Kirche machen, aber muss sich auch Kritisches gefallen lassen.

Ein Organisationshelfer hat mich darüber aufgeklärt. Er hilft seit vielen Jahren immer wieder mal bei der Organisation miti. Monatelange Vorbereitungen sind notwendig, um die ÜBER 140 Einzelveranstaltungen exakt zu planen, die in diesen paar Tagen reibungslos laufen müssen. Dazu ist jeweils ein größeres Team nötig, das plant und organisiert. 

Insgesamt dauert die Vorbereitung fast eineinhalb Jahre, erzählte er mir. Und dass die Regensburger extrem brav seien. Also eher unkritisch. In Essen und anderen norddeutschen Städten gehe es viel kritischer zu. Der Unterschied sei markant. Aha.


Überbegriff: Kirchentag

Der Begriff Kirchentag beschreibt:

Der katholische Kirchentag wird als Katholikentag bezeichnet.

Katholikentage sind also mehrtägige Versammlungen der katholischen Gläubigen des jeweiligen Landes in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die in einem mehrjährlichen Turnus stattfinden - in Deutschland in der Regel alle zwei Jahre.

Ihre Ursprünge liegen in den so genannten Laienbewegungen des 19. Jahrhunderts. Eine Art Gegenbewegung gegen die kirchlichen Amtsträger. Sowas wie eine Mitgliederversammlung  in einem Verein - die es eigentlich vom Konzept her nicht gibt, denn die Kirche war ursprünglich kein Verein, sondern eine von oben her übergestülpte Organisation.

Einen klaren Einschnitt bedeutete übrigens  der 82. Deutsche Katholikentag in Essen im Jahr 1968: Er stand unter dem Leitwort „Mitten in dieser Welt“ – und zum ersten Mal erhob sich hier, in Anknüpfung an die revolutionären Anfänge des Kirchentags und unter dem Eindruck der 68er-Bewegung, offener Widerstand gegen die Amtskirche.[1]

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich der Katholikentag zu einer von Laien organisierten Großveranstaltung entwickelt. Im Stil eines Kongresses, verbunden mit öffentlichen Events und Begegnungsaktionen.

Zahlreiche kirchliche Gruppen stellen sich dort auf Ausstellungsständen vor und bieten Informationsmaterial an.

Während der meist fünftägigen Veranstaltung finden zahlreiche religiöse, kulturelle, wissenschaftliche, gesellschaftspolitische und spirituelle Veranstaltungen statt.

Der Träger des Katholikentags ist seit 1970 das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), eine ganz wichtige und interessante Institution. Selbst wenn man nicht Kirchenanhänger ist, lohnt es sich, sich mit diesen Hintergründen ein wenig zu beschäftigen. Damit man die "Kirche" um sich herum besser versteht.

Was heißt eigentlich "Laienbewegung"?

Es gibt zwei Arten von Christen - Kleriker und Laien, lautet ein Zitat aus dem mittelalterlichen Decretum Gratiani. Diese Einteilung der Christen in Kleriker und Laien hat in der katholischen Kirche zu einer Unterscheidung von zwei Personenständen, den Amtsträgern (Klerikern) und den übrigen Gläubigen (Laien) geführt. Auch das kirchliche Gesetzbuch (Codex Iuris Canonici) von 1917 zieht noch eine deutliche Trennungslinie zwischen Laien und Klerikern (Priestern).
Besonders starken Zulauf erhielten christliche Laienbewegungen im Mittelalter. Zahlreiche Menschen waren mit dem kirchlichen Heilsangebot unzufrieden. Als Gründe dafür sind u.a. zu nennen: die allgemein gestiegene Bildung, priesterliche Misswirtschaft bei religiösen Dienstleistungen, der Ruf nach kirchlichen Reformen und das Bedürfnis, als religiöser Laie aktiv den eigenen Heilsprozess mitzugestalten. An der Wende zum 13. Jahrhundert organisierte sich deshalb eine große Anzahl von Laien in eigenen Gemeinschaften. Ihr Kennzeichen war das Lebensideal der Vita apostolica. Dazu gehörten freiwillige Armut, Bibelstudium und (Laien-)Predigt.  

Das private Bibelstudium hatte zur Folge, dass innerhalb der Laienbewegungen neue Deutungen auftauchten, die sie in den Konflikt mit der Lehre der Kirche brachten. Zudem stieß die Predigt durch Laien auf kirchlichen Widerstand, weil sie das Recht auf Predigt nur dem Klerus vorbehalten sah. Die Freigabe des Predigtrechts an Laien hätte die Kirche in ihrer Existenzberechtigung grundlegend in Frage gestellt. Aus diesem Grund wurden diese Laienbewegungen kirchlicherseits als ketzerisch gebranntmarkt, ab dem Dritten Laterankonzil 1179, als Häresien verurteilt und später durch die Inquisition verfolgt. Manchen Laienbewegungen gelang es im 13. Jahrhundert, von der Kirche anerkannt zu werden und den Rang eines Ordens zu erlangen, so etwa den Humiliaten und wenig später den Franziskanern. Die Dominikaner übernahmen als Klerikerbewegung die Lebensweise der Vita apostolica, und erreichten dadurch einen größeren Erfolg bei der Bekämpfung der katharischen Häresie.

Die vermehrte Beteiligung von Laien an kirchlichen Aufgaben begann im 20. Jahrhundert mit den Erneuerungsbewegungen in den 1920er, z. B. bei der katholischen Liturgie. Seit etwa 1960 haben in den christlichen Kirchen die Laienbewegungen besonders starken Zulauf.

Linktipp: http://de.wikipedia.org/wiki/Laienbewegung

Und wer ist dieses "Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK)"?

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ist der Zusammenschluss von Vertretern der Diözesanräte und der katholischen Verbände sowie von Institutionen der Laienvertretung und weiteren Persönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft. Der Sitz des ZdK ist in Bonn . Das ZdK wird entsprechend dem Dekret des II. Vatikanischen Konzils über das Laienapostolat (Nr. 26) von der Deutschen Bischofskonferenz als Koordinationsgremium anerkannt, stellt jedoch kein Organ der Kirche oder eine Vertretung aller katholischen Laien dar. Die Mitglieder des Zentralkomitees fassen ihre Entschlüsse in eigener Verantwortung und sind dabei von Beschlüssen anderer Gremien unabhängig.
Das ZdK ist unter anderem Initiator und Träger der Deutschen Katholikentage. Zudem werden die in unregelmäßigen Abständen stattfindenden Ökumenischen Kirchentage von ZdK und dem Deutschen Evangelischen Kirchentag gemeinsam organisiert.
Linktipp: http://de.wikipedia.org/wiki/Zentralkomitee_der_deutschen_Katholiken

Das ZdK hat nach seinem Statut folgende Aufgaben:
  • Es beobachtet die Entwicklungen im gesellschaftlichen, staatlichen und kirchlichen Leben und vertritt die Anliegen von vielen, aber nicht allen Katholiken in der Öffentlichkeit.
  • Es gibt Anregungen für das apostolische Wirken der Kirche und der Katholiken in der Gesellschaft und stimmt die Arbeit der Kräfte aufeinander ab, die in ihm zusammengeschlossen sind.
  • Es wirkt an den kirchlichen Entscheidungen auf überdiözesaner Ebene mit und berät die Deutsche Bischofskonferenz in Fragen des gesellschaftlichen, staatlichen und kirchlichen Lebens.
  • Es hat gemeinsame Initiativen und Veranstaltungen der deutschen Katholiken, wie die Deutschen Katholikentage, vorzubereiten und durchzuführen.
  • Es nimmt die Anliegen und Aufgaben der deutschen Katholiken im Ausland und auf internationaler Ebene wahr.
  • Es trägt für die Durchführung und Erfüllung der entsprechenden Maßnahmen Sorge.
Interessant auch am Rande: Der Pfaffenspiegel

„Der Pfaffenspiegel – Historische Denkmale des christlichen Fanatismus“ (1845) ist ein kirchenkritisches Buch des ostpreußischen Autors Otto von Corvin (1812–1886). Das „gepfeffert polemische Werk“[1] beinhaltet eine oberflächliche Geschichtsklitterung, die von den Nationalsozialisten zu Hetzaktionen gegen die katholische Kirche genutzt wurde.


Das Werk erschien erstmals 1845 bei der Gebauer’schen Buchhandlung zu Leipzig und ist seit 1868 unter dem Namen Pfaffenspiegel bekannt. Es versteht sich als Abrechnung mit dem Kirchenstaat bzw. der geistlichen Obrigkeit; es stellt laut Autorenintention kein „kulturgeschichtliches Werk“, vielmehr einen Bericht über Zustände und historische Entwicklung der „göttlichen Perversion“ dar.

Die unverblümt dargestellte Kritik stieß auf heftige Anfeindung aus Kirchenkreisen, aber auch auf bedeutendes Interesse. So konnte bereits 1860 eine Gesamtauflage von 1,6 Millionen Exemplaren verzeichnet werden. Einige Textstellen mussten gemäß einem Urteil vom 28. März 1927 aufgrund eines Verstoßes gegen §166 StGB – „Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen“ – gestrichen werden. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Buch von der NSDAP zu Hetzkampagnen gegen die katholische Kirche benutzt und seine Verbreitung gefördert.[3] Gegen die Verbreitung des Pfaffenspiegels durch die Nationalsozialisten wehrten sich Kirchenvertreter unter anderem mit der Behauptung, Corvin sei Halbjude gewesen.[4] Clemens Gahlen verfasste 1937 eine Gegenschrift unter dem Titel Der zerbrochene Pfaffenspiegel.[5]

Im wissenschaftlich-historischen Kontext wird Corvins Stoffsammlung als wertlos erachtet.[6]

Volltext des Pfaffenspiegel (kostenlos, public domain): Pfaffenspiegel. In: Project Gutenberg.



http://www.katholikentag.de/
http://de.wikipedia.org/wiki/Katholikentag
http://de.wikipedia.org/wiki/Laienbewegung