Regensburger Tagebuch: Mein Abschied vom Obermünsterviertel

Das ist eigentlich der zweite Teil der Artikels über die Peterswegparkhaus und das Obermünsterviertel.

Ich habe ihm aber einen eigenen Titel gegeben. Denn hier geht es auch um einen persönlichen Aspekt: meine Erlebnisse in der Obermünsterstraße, die Kontakte, und unsere Entscheidung, die Obermünsterstraße mit unserer Galerie "Die Kunstzelle" vorzeitig zu verlassen.

Gegenüber dem Bagger, gleich neben Sanitätshaus Reiss: Obermünsterstraße 15, vor einem Jahr war hier die Galerie "Die Kunstzelle", Betreiber: Rita Dendorfer, Beate Stich, Ulrike Böck und ich.

Dieses Projekt bot für mich viele Überraschungen. Denn ich lernte das Obermünsterviertel von einer neuen Seite kennen.

Ich lernte ein Viertel kennen, dessen Geschäftsleute fast familiär miteinander umgingen, dessen Geschäftscharakter multikulturell und höchst interessant war. Ich lernte viele Leute aus dem kreativen Bereich kennen, nicht zuletzt über den Betreiber des Geppco-Verlags, der am Ende der Straße seine Geschäftsräum ehatte, und der sich auf regionale Künstler spezialisiert hatte: Gerhard Breitbart.

Unter anderem lernte ich auch eine Filzkünstlerin kennen, die dort ihren Laden hat, und Karolinge Gmachl, die gegenüber von Geppco ihren Delikatessenladen "Hexerei" aufmachte und sofort die Sympathien der Anwohner gewann.

Karoline Gmachl von der Hexerei bei der Vernissage von M. Dorfners 10 jahre Madorchen, 2013

Auch mit vielen anderen Geschäftsinhabern pflegte ich sehr freundschaftlichen Kontakt - die beiden Handyladenbesitzer, die früher mal zusammen gehörten, Makler Gerhard Vogel, dessen Frau die Seniorenresidenz leitet und mir von zahlreichen Vernissagen her bekannt war, der Pizzeriabetreiber neben mir, die Bäckerin an der Ecke.

Gerade entdecke ich auch ähnliche Aussagen in der Webseite "Obermünsterviertel.de":

Ich genieße jeden Tag in meinem "Kiez", vor allem die entspannte und vertraute Atmosphäre... Nicht unerwähnt bleibe, dass viele überraschende Geschäfte sich hier etabliert haben. Thomas, Immobilienmakler
Das Viertel ist freundlich und vor allem persönlich. Eine wahre Freude hier zu arbeiten, Nachbarn und neue Menschen zu treffen. Franz-Joseph, Bewegungstherapeut
Ich mag die bunte Mischung unterschiedlichster Menschengruppen in unserem Viertel! ... Jeder kennt hier jeden, man hilft sich gegenseitig und mitten in der Innenstadt paart sich Aufbruchstimmung mit einem angenehm ursprünglichen, beinahe familiären Flair. Susanne, Grafikerin und Texterin

Ein Viertel der Kreativen und Galerien. Neben den hier eingezeichneten Galerien gibt es noch: Webentwickler, Grafiker, Designer und mehr.

Auch der charmante und engagierte Leiter des Quartiersbüros (eine Einrichtung der Stadt als betreuende Instition für die Bürger im Viertel), und die Leute des Obermünsterviertel e.V.s (Christoph Bücker, Erwin Skorianz, Christine Wohl, Jürgen Vaas, Albert Triebenbacher) haben mich angenehm überrascht.

Trotzdem habe ich sofort dafür gestimmt, dass wir unseren Mietvertrag vorzeitig auflösen und eine Gelegenheit zum Wechsel warhnehmen. Obwohl ich wusste, dass ich damit faktisch ausscheiden muss. Denn meine Dozententätigkeit hätte die Mitwirkung in der neuen Galerieformation in der Thundorferstraße unmöglich gemacht (Kunst Direkt).

Warum habe ich nicht gezögert?

Die totale Umsatzflaute durch das fehlende Parkhaus war ein kleinerer Faktor. Wir wussten ja, dass wir bis zur Eröffnung des Parkhauses akzeptieren müssen, monatlich draufzuzahlen. Aber es macht schon mürbe.

Und zu hören, dass nach der Neueröffnung die Baustelle gegenüber noch ein Jahr bleibt, weil die Diskothekengebäude kernsaniert werden - so dass möglicherweise die Parker außen herum gehen und nicht den rückwärtigen Ausgang benutzen, erschreckte uns.

Für mich persönlich waren aber zwei andere Aspekte wichtiger.

Da war zunächst der überraschende Tod von Gerhard Breitbart (Geppco-Verlag), mit dem ich mich zunehmend angefreundet hatte, und mit dem ich konkrete Kunst-Projekte plante. Von dessen tragischen Tod erfuhr ich am Galerienabend; kurz vorher hatte ich noch sehr schöne Gespräche mit ihm bei der Vernissage von Markus Dorfners "10 Jahre Madorchen" im Regierungsgebäude.

Gerhards Räume waren irgendwie Treffpunkt für viele Kreative und Aufgeschlossene im Obermünsterviertel, und sein Name ist für mich fest verbunden mit der Obermünsterstraße. Das ist der Hauptgrund, warum ich mit gemischten Gefühlen an die Zeit dort denke.

G. Breitbarth von GEPPCO Medien und Markus Dorfner bei einer Ausstellung von M. Dorfner im Jahre 2013

Mittlerweile von Transition übernommen: Die Räume vom Geppco-Verlag

Ein anderer Faktor ist die Machtlosigkeit gegenüber dem Alkohol. Ich meine damit die Gäste der beiden Diskotheken gegenüber.

Dass wir ab und zu Erbrochenes vor unserer Galerietür beseitigen müssen, haben wir schon einkalkuliert. Dass es aber auch dazukommt, dass man das Galerieschild herunterreisst, und dann noch vollpisst, mit soviel Brutalität haben wir nicht gerechnet.

Das Gebäude mit den beiden Diskotheken. In den nächsten Wochen nach diesem Foto sollen die Diskotheken in Räume unterhalb des neuen Parkhauses umziehen, damit die Gebäude kernsaniert werden können. Sie stammen noch aus den Resten des Mittelmünster-Klosterklompexes. Was später mit den Diskotheken passiert, ob sie also wieder zurückgehen in die alten Räume, konnte ich nicht in Erfahrung bringen.

Auch dass man uns rotzfrech während der Öffnungszeit den Blumenstock am Eingang klaut, gab mir zu denken - bei aller Sympathie zu dem Viertel - für Geschäftsbetreiber heißt es hier: aufpassen.

Und da ein Galeriebetrieb sowieso mehr Hobby als Kommerz ist, sah ich nicht länger ein, dass ich mich auch in dem bisschen "Freizeit"mit den Niederungen des Menschseins auseinandersetzen soll. Damit war ich während 25 Jahre Anwaltstätigkeit schon genug konfrontiert.

Insgesamt denke ich also mit gemischten Gefühlen an diese Zeit. Ich habe es keinesfalls bereut, das Projekt hat mich sehr berreichert, aber ich habe auch nicht gezögert, dort wegzugehen. Ich hoffe für die ehemaligen Nachbarn, also die Geschäftsinhaber in der Obermünsterstraße, dass sie sich langsam wieder erholen können von dem Umsatzausfall der letzten zwei Jahre.

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