Regensburger Tagebuch

Notizen von der nördlichsten Stadt Italiens

Dienstag, 19. August 2014

Ausflug nach Bayreuth

Bayreuth, 18.08.2014

Der Ausflug nach Bayreuth war nicht ganz freiwillig. Vormittags war ein Gerichtstermin. Zu einem Prozess, der mich die letzten 8 Monate völlig blockiert hatte. Der Grund dafür war, dass alle meine Projekte zum Stillstand kamen und ich keine der einzigen Ferienzeiten oder Wochenenden genießen konnte.

Die Friedrichtstraße, links das Verwaltungsgericht. Die Straße mündet in das Zentrum.
Ein letzter Endspurt in den letzten Tagen - ich hatte das Wochenende durchgearbeitet, bis Sonntag nacht um 24.00 Uhr. Dann waren die Schriftsätze fertig, ich habe sie ausgedruckt, den Berg von Material angesehen, der in den letzten Wochen auf und um den Schreibtisch herum wucherte, und versucht einzuschlafen.

Vergeblich, ich war zu aufgeputscht. Egal, die Verhandlung lief diesmal besser als die gerichtliche Anhörung vor ein paar Wochen und war auch in nur 2 Stunden erledigt, war aber für meinen angeschlagenen Gesundheitszustand trotzdem sehr anstrengend. Die Nebenwirkungen der Medikamente, die ich als Herzpatient nehme, und deren Zusammensetzung sind kürzlich änderte,  sind gelegentlich Schwindel, Übelkeit, Muskelschmerzen. Und damit Konzentrationsprobleme, wenn es um mehr als 2 Stunden geht. Ich hatte wegen einer Terminverlegung telefoniert, vergeblich. Der Richter war hart geblieben.

Um 12.00 Uhr dann war Verhandlungsende. Ich hatte die Kamera dabei, um den restlichen Tag zu der ort zu erkunden und ein paar Fotos zu schießen. Das Wetter machte mir einen Strich durch die Fotografenrechnung. Meist bewölkt, da kann man keine schönen Bilder schießen. Nur dokumentatorische, damit die Daheimgebliebenen einen Eindruck bekommen.





In der Friedrichstraße das Klavierhaus Steingraeber. Eine Touristengruppe wird von einem Führer über diese Institution aufgeklärt.

Klavierhaus Steingraeber

Ahh, eine gotische Kirche. Ist mir bei früheren Gerichtsbesuchen nicht aufgefallen, aber da bin ich immer schnell nach Regensburg zurück.




Zu dieser Kirche gibt es eine eigene Wikipedia-Seite:
http://de.wikipedia.org/wiki/Stadtkirche_%28Bayreuth%29
Offenbar wurde sie 1194 das erste mal erbaut und dann sehr oft zerstört und wieder aufgebaut


Die Fassade war rußschwarz, so wie der Dom früher, oder die anderen Kirchen. Mittlerweile sind die Fassaden restauriert und sehen aus wie früher. Und haben somit eine ganz andere Wirkung. So auch hier, bei dieser Kirche, erzählt mir Gerhard Prokscha von extra-radio Hof. Er hatte hier früher mal gearbeitet, lange vor seiner Rundfunkzeit, bei einer Filiale der Meisterkauf-Kette (heute REAL).


Nanu, was ist denn in der Fußgängerzone los? Das jährliche  Weinfest, werden wir aufgeklärt.




Gerhard Prokscha, Gründer und Vorsitzender des VuLB (Verband unabhängiger Lokalradios Bayern) und Gründer und Geschäftsführer von extra-radio Hof, einer der wenigen, übriggebliebenen und noch nicht verdrängen unabhängigen Lokalfunksender in Bayern.



Wir gehen in ein Kaufhaus in die oberste Etage zum Essen, damit wir einen Blick über Hof bekommen.




Wie hat es Rosendorfer in seinem Roman "Briefe in die chinesische Vergangenheit" formuliert? "Schaa-iis-Wetah" oder so ähnlich.


Rathaus? Nö, eine Kirche. Das Neubaugebäude rechts daneben ist eine höchst umstrittene Bausünder, erfahre ich noch.




Die Webseite von Bayreuth sagt unter "Sehenswürdigkeiten": das Operngebäude, die Schlossterassen, der Canale Grande. Familie Prokscha stimmt zu und weist mir die Richtung.





 Wir trennen uns, und ich sehe mir das Operngebäude an. Wobei man innen so gut wie nichts sieht, wegen der Umbauarbeiten. Man bekommt einen Mini-Mini-Rundgang mit einer fotobedruckten Folie, die zeigen soll, wie es hier normalerweise aussehen soll. 2,- Euro Eintritt.





Das Bild ist nicht ganz echt - eine bedruckte Folie zeigt, wie der Blick in das Innere hier aussehen würde. In Wirklichkeit sind dahinter Baugerüste







Das markgröfliche Opernhaus, seit kurzem UNESCO-Weltkulturerbe.


Wikipedia: Weltberühmt ist Bayreuth durch die jährlich im Festspielhaus auf dem Grünen Hügel stattfindenden Richard-Wagner-Festspiele. Das markgräfliche Opernhaus gehört seit 2012 zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Beim Verlassen des Opernhauses sieht man diesen Springbrunnen.

rechts: Opernhaus, links: Operncafe



Ah, das ist er also, der Canale Grande. Habe ich mir etwas mehr grande vorgestellt, muss ich zugeben.


Auf der Webseite heißt es dazu:

Vor Ihnen liegt der „Canale Grande“ – und das mitten in Bayreuth! Der alte Mühlkanal wurde vor gut 20 Jahren von seiner Betondecke befreit. Zur Einweihung fuhr eine venezianische Gondel auf dem Kanal. So kam es, dass die Bayreuther ihn nach dem berühmten Vorbild benannten. Die drei Stahlskulpturen im Wasser stammen von dem bekannten Künstler Horst Antes und sind Teil der „Bayreuther Skulpturenmeile“. Bei schönem Wetter ist der Canale Grande ein beliebter Treffpunkt.
Auf der Webseite sieht man dann auch, dass bei schönem Wetter tatsächlich die Leute unten am Kanal sitzen und sich sonnen. Das war heute aber nicht der Fall.





Und drüben erkenne ich auch das, was als Schlossterassen angekündigt wurde. Die Webseite wieder dazu:

Hier bietet sich ein herrlicher Blick auf die Schlossterrassen, die beiden Palais des Hofarchitekten Carl von Gontard, das Alte Schloss und den achteckigen Schlossturm im Hintergrund.



Zurück zum Zentrum. Hier sieht man den achteckigen Turm der Schlosskirche. Die Webseite http://www.schlosskirche-bayreuth.de/ sagt dazu

Der achteckige, 1565 erbaute Turm, bei allen als "Schlossturm" bekannt, gehört seit langem zu den Wahrzeichen unserer Stadt. Er erinnert an die Bayreuther Markgrafenzeit, in der unsere Kirche am Osterfest 1758 als evangelische Schlosskirche feierlich eingeweiht wurde. Sie war ursprünglich also für die Mitglieder des Hofes, nicht für die Bürger gedacht.

Im Inneren der Kirche empfängt den Besucher ein weiter, heller Saal, der durch die eingezogenen Emporen Anklänge an eine Basilika zeigt. Verantwortlich für die Architektur des Raums war der französische Hofbaumeisters Josef St.Pierre. Der Italiener Giovanni Battista Pedrozzi schuf den Deckenstuck, der zu den erlesensten Werken des Rokoko im weiten Umkreis gehört. Architektur und Ausstattung schaffen die heitere Atmosphäre, die unsere Kirche zu einem liebenswertem Kleinod dieser Stadt macht.



Beim Rückweg setzte ich mich in der Fußgängerzone bei einem Italiener nieder und bestellte mir einen Eiscafe. Wow. So einen riesigen Humpen habe ich noch nie erhalten. Das waren drei der sonst üblichen Kaffeeportionen, das Eis und die Sahne waren auch viel, und ich saß da eine halbe Stunde. Hat übrigens auch super geschmeckt. War seine 4,50 schon wert. Und die Bedienungen waren sehr fröhlich-freundlich! Die Sonne spitze auch heraus.

Ein schöner Abschluss für den Bayreuth-Besuch

Epilog

Für uns Regensburger ist interessant zu hören, dass auch in Bayreuth in den Siebziger Jahren wie wild historische Häuser abgerissen wurden, um neuen Straßen und Stilen zu weichen. In Regensburg waren es der (dsamals eigens gegründete) Verein der Altstadtfreunde, der damals den weiteren Abriss kompletter Viertel zwecks Bau von vierspurigen Straßen verhinderte. In Bayreuth gab es diese Bürgerwehr nicht - oder nicht so erfolgreich. Hier ein Auszug aus Wikipedia zu Bayreuth:

Vieles von dem, was die Bombennächte im April 1945 übriggelassen hatten, wurde anschließend zerstört. Das Alte Schloss wurde ein spätes Opfer der Nationalsozialisten, die dort belastendes Material verbrannten. Das Feuer griff auf das Gebäude und die Häuserfront an der Nordseite des Marktplatzes über. Mangels Feuerwehr und Löschwasser konnte es erst auf Anordnung der einrückenden amerikanischen Soldaten durch die Sprengung zweier Häuser eingedämmt werden.

Ein schwerer Verlust für die Stadt war der Abriss des Geburtshauses Max Stirners (1970), des historischen Sozialquartiers Burg bis 1980 und der verbliebenen Reste des Reitzenstein-Palais.

Dem Straßenverkehr wurde in den 1970er Jahren mit dem Bau des Stadtkernrings unter anderem das Ensemble am Anfang der Erlanger Straße, darunter das seinerzeit einzige erhaltene Haus mit sichtbarem Fachwerk (Eck-Schoberth), geopfert.

Der Rote Main wurde in seinem im Zentrum bisher sichtbaren Teil weitgehend als Straßen- und Parkplatzfläche gedeckelt (Abriss der Ludwigsbrücke und des Wachhäuschens aus dem 18. Jahrhundert).

Für den Bau des neuen Rathauses wurde das idyllische Viertel am Altbachplatz abgerissen, einschließlich des vom ersten Festspieldirigenten und Bayreuther Ehrenbürger Hans Richter bewohnten Richterhauses.

Dazu kamen aus heutiger Sicht weitere wenig sinnvolle Abrisse in der Richard-Wagner-Straße (Türkenhaus, erbaut 1709), am Sternplatz und in der Sophienstraße (Priesterhäuser aus dem 16. Jahrhundert). Am Marktplatz wurden drei der wenigen verbliebenen alten Häuser der Nordseite ab 1962 einem Kaufhausneubau geopfert, und erst kürzlich musste das alte Sparkassengebäude aus dem Jahr 1934 einem umstrittenen Neubau weichen.

Am Ort des abgerissenen Stirnerhauses wurde 1971 ein modernes Gebäude errichtet. Der Text der einst von John Henry Mackay initiierten und dort wieder angebrachten Gedenktafel,[19] wonach es sich um das Geburtshaus Max Stirners handle, trifft deshalb nicht mehr zu und ist somit irreführend.

Bernd Mayer, 2011 verstorbener Historiker und Ehrenbürger der Stadt, hat die Zerstörungen der Nachkriegszeit als umfassender als jene während des Zweiten Weltkriegs bezeichnet.
Siehe auch: Vernichtung historischer Bausubstanz in der Innenstadt nach 1945 und Zentralhalle (Bayreuth)