Regensburger Tagebuch

Notizen von der nördlichsten Stadt Italiens

Donnerstag, 21. August 2014

Neumodische Staatsheirath - auf fortschrittlich Zivilehe


Eine Anzeige des Pustet-Verlags in einer historischen Regensburger Zeitung
Regensburger Anzeiger 27.12.1871

Das Datum erstaunt mich, denn laut Wikipedia ist die Zivilehe "deutschlandweit" erst 1875 eingeführt worden. Galt für Bayern etwas anderes? Schnell gegoogelt: tatsächlich, Bayern war möglicherweise Vorreiter. Offenbar wurde 1863 im bayerischen Landtag erstmals die Einführung der allgemeinen Zivilehe beantragt, allerdings noch ohne Erfolg. Durch Gesetzgebungsprojekte im Jahr 1868 habe Bayern dann erneut einen Schritt hin zur Kodifikation der Zivilehe unternommen. Das scheiterte insofern, als nur eine Art Notzivilehe zugelassen wurde. Erst 1871 kam es zu einerm erneuten Anlauf aber hier wird es kompliziert (siehe: Dissertation von Löhnig auf google-books). Es könnte sein, dass letztlich bis zur deutschlandweiten Einführung in Bayern nur eine Notehe für Dissidenten (Nichtkatholiken, Andersgläubige) und Mischehen gab. Wer mehr weiß, kann mir eine email senden.


Update: Hurra, ich habe das Buch gefunden, für das hier Werbung gemacht wurde. Auf google-books, nachfolgend hier eingebunden und in vollem Umfang (geizgeilartig kostenlos) lesbar. 

Eine polemische Schrift gegen die Einführung der Zivilehe, die offenbar doch noch nicht in Bayern galt, jedenfalls nicht in Form einer obligatorischen und allgemeingültigen Zivilehe.  Der Reichstag wollte es überregional einführen, wie ich schon geschrieben habe, ist das 1875 geschehen. 1871 war also im Vorfeld, als man diskutierte, ob die Zivilehe eingeführt werden solle oder nicht. Daher ist das Buch ein Buch im Meinungskampf.




Buch:
Neumodische Staatsheirath, auf fortschrittlich Civilehe: Von einem Freunde des Volkes
(Google eBook)





Joh Hennemann
Krüll, 1871 - 22 Seiten




'Aus Wikipedia

Geschichte


Urkunde über die zivilrechtliche Eheschließung von Metta Schütte und August Haese (1855)
Die Zivilehe in Deutschland wurde zunächst 1798 in den (im Oktober 1794) französisch besetzten und 1801 in den von Frankreich annektierten Gebieten eingeführt. Als notwendige Folge oder auch Voraussetzung des Code Civil wurde die Zivilehe auch in den sogenannten napoleonischen Satellitenstaaten des Rheinbundes institutionalisiert, etwa im Großherzogtum Berg 1810. Im Zuge der allgemeinen Restauration mit Beginn der preußischen Zeit 1815 wurde die Zivilehe jedoch allmählich wieder abgeschafft, wobei sich der preußische Staat etwa im Erzbistum Köln zunächst als kompromissbereit gegenüber dem amtierenden konservativen Episkopat zeigte. Aufgrund der föderalen Struktur des Deutschen Bundes sind in der Folge bis zur Reichsgründung regional unterschiedliche Annäherungen an die Wiedereinführung der Zivilehe zu beobachten.
Vorreiter waren die Freie Hansestadt Bremen und das Großherzogtum Oldenburg, wo auf Initiativen des Baptisten Frerich Bohlken bereits am 31. Mai 1855 ein „Gesetz über die Zivilehe für das Land Oldenburg“ verkündet wurde. In der Stadt Varel wurde aufgrund dieses Gesetzes am 12. Juli 1855 die erste zivilrechtliche Trauung in Deutschland durchgeführt. Geheiratet haben damals der Baptistenpastor August Friedrich Wilhelm Haese und Metta Schütte.[1] Es war für Angehörige von Freikirchen und andere Dissidenten wie Freireligiöse bis dahin nicht möglich, die Ehe einzugehen. Das Recht, legale Eheschließungen durchzuführen, lag bis zum Erlass des genannten Gesetzes allein bei der jeweiligen Staatskirche. Diese wiederum verweigerte solchen, die aus der Staatskirche ausgetreten waren, die Trauung. Preußen führte die obligatorische Zivilehe mit einem vom Landtag am 23. Januar 1874 verabschiedeten Gesetz ein.[2]

Im Deutschen Reich ist die Zivilehe im Zuge des Kulturkampfs durch das Gesetz über die Eheschließung 1875 nach preußischem Vorbild geregelt worden.