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Dienstag, 12. August 2014

Wie erkennt man einen Herzinfarkt und was ist zu tun?

Vor zwei Jahren, am 11. August 2012 frühmorgens um sechs Uhr, erwischte es auch mich. Ein Herzinfarkt.  Und ich erkannte ihn nicht!  Deshalb verging viel zu viel Zeit, bis wir den Notarzt riefen.






Was, wenn ein Angehöriger oder Bekannter in Ihrer Anwesenheit einen Infarkt erleidet? Wie erkennen Sie ihn? Was müssen Sie wissen?

Daher dieser Artikel, in welchem ich eine Artikelreihe zusammefasse, die ich fast wortgleich schon vor einem Jahr veröffentlicht habe.

Ich werde ihn immer wieder veröffentlichen. Denn Aufklärung ist wichtig.
Aber bevor ich davon berichte, möchte ich zuerst eine Botschaft loswerden, die Sie sich bitte einprägen, falls jemand in Ihrer Umgebung Herzinfarktsymptome bekommt.

Was tun bei Herzinfarktverdacht?

  • Sofort 112 wählen (110 geht auch)
  • NICHT den ärztlichen Notdienst oder den Hausarzt rufen




Die  Anzeichen von Herzinfarkt sind schwere Schmerzen in Brustkorb oder Druck im Brustkorb, Schmerzen in  Armen und/oder Schulterblättern, kombiniert mit Atemnot, manchmal auch Übelkeit, Brechreiz, Schwitzen, und Angst.

Der Herz selbst schmerzt nicht, auch nicht die Herzgegend.



Warum gleich 112?

Viele Menschen haben Scheu, sofort die Nummer 112 zu wählen, sagt der Sprecher der Herzstiftung. Stattdessen werde häufig der Hausarzt oder der ärztliche Notdienst verständigt. Dies ist aber "ein lebensgefährlicher Umweg. Selbst wenn der Hausarzt kommt, kann er nichts anderes tun, als die 112 anzurufen" (Zitat des Vorsitzenden der Stiftung, Prof. Hans-Jürgen Becker)

Jedes Jahr sterben in Deutschland über 60.000 Menschen an einem Herzinfarkt, berichtet die Stiftung in einer Kampagne. Jeder vierte sterbe bevor er in die rettende Klinik komme. "Bei einem Herznotfall geht es um jede Minute. Ein Herzinfarkt kann jederzeit lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen auslösen", betonte der Direktor der Kardiologie am Frankfurter Universitätsklinikum, Prof. Andreas Zeiher.
Je früher ein Patient aber in einer Klinik behandelt werde, desto mehr Herzmuskel - das heißt Pumpkraft des Herzens - könne erhalten werden

Alle Ärzte, auch die Notärzte und Rettungssanitäter, versicherten mir immer wieder: wir sind keinem böse, der voreilig die 112 wählt.  

Typische Alarmzeichen

Als typische Anzeichen für einen drohenden Herzinfarktgelten:

  • schwere, länger anhaltende (brennende) Schmerzen in Brustkorb und Armen und/oder bei den Schulterblättern. 
Es ist normalerweise kein Stechen, sondern eher ein brennender Schmerz. Schmerzen, die stechen ( im Bereich des Brustkorbes), sind eher auf ein HWS/ BWS Syndrom zurück zuführen.
Ich persönlich hatte nur am Rücken Schmerzen. Ein ähnlicher Fall kam nach mir in die Intensivstation: auch er hatte nur Schulterblätter-Schmerzen und hätte niemals auf einen Herzinfarkt getippt.

Oft kommen noch weitere Symptome dazu, z.B.:
  • Atemnot (ich sag mal lieber: "Kurzatmigkeit"; ich konnte nur abgehackte, kurze Sätze ausstoßen, habe das aber auf die Schmerzen und Verspannungen zurückgeführt und nicht als Atemnot gesehen; darum prägt sich "Atemnot" nicht richtig ein),
     
  • Schwitzen - ein sehr  typisches Alarmsignal, wenn es in Verbindung mit den Schmerzen auftaucht. Ich war völlig verschwitzt an diesem morgen, und das war auch das Signal für den Arzt, den meine Nachbarin am Telefon hatte: Verdacht auf Herzinfarkt. Bis dahin hat niemand von uns an diese Möglichkeit gedacht.
  • plötzliche Übelkeitsanfälle und Brechreiz (auch bei mir: als ich Anis-Samen als Mittel gegen die vermeintlichen Blähungen schluckte, musste ich mich übergeben; bei Frauen sollen die Übelkeitsymptome sogar viel vorranniger vor richtigen Schmerzen sein)
  • Herzinfarkt im Schlaf: ein nächtliches Erwachen mit Schmerzen im Brustkorb ist  ganz typisch für einen Herzinfarkt. So war es auch bei mir. 6 Uhr morgens aufgewacht mit höllischen Schmerzen in den Schulterblättern. 
Am Vorabend und in den Tagen davor hatte ich gelegentlich auch diese Schmerzanfälle in den Schulterblättern. Offenbar hatte sich da schon Blut an einer Engstelle gestaut und es kam zur Unterversorgung. Aber das verging nach ein paar Minuten wieder. Diesmal definitiv nicht.

Achtung Diabetiker: Durch Schmerzunterdrückung kann es zu einem stillen Infarkt ohne großartige Beschwerden kommen. Informieren Sie sich.



Was passiert nach dem Herzinfarkt und was sollten Angehörige wissen - das ist das Thema dieses Teils. Denn hier gibt es Aufklärungsbedarf. Vielleicht kein Thema für das Regensburger Tagebuch, aber ich habe die Serie hier angefangen, und möchte sie hier weiter führen.


Jetzt mache ich gemütlich eine Revolution.

Herzinfarkt, Teil 2

Was passiert eigentlich beim Herzinfarkt. Und was passiert mit dem Patienten in der Klinik? Das ist das Thema dieser Folge

  
 
gut aufgehoben: Uniklinik Regensburg.

Die Eingangshalle der Universitätsklinik Regensburg (Panoramafoto)







Es gibt zwei bzw. drei große dicke fette Adern, die an der Herzwand entlang laufen. Zwei Hauptadern, wobei sich die eine nochmals verzweigt, also spricht man auch von drei Adern. Diese Adern versorgen das Herz als solches, die Herzmuskeln. Man nennt sie Herzkranzgefäße.

Beim Herzinfarkt kommt es zu einer Verstopfung in einer dieser Herzkranzgefäße. Meist sind die Adern sowieso schon ungleichmäßig mit Ablagerungen (Plaque) verengt. Wenn es an dieser Engstelle zu einer Verstopfung kommt, die sich nicht mehr auflöst, werden die Herzmuskeln unterversorgt.

1. Folge: Betreffende Herzmuskeln sind unterversorgt, Gewebe stirbt ab und  vernarbt später! Der Herzmuskel ist künftig nicht mehr voll leistungsfähig. Man spricht von Herzinsuffizienz, ungenügender Herzleistung. Je länger die Unterversorgung war, desto stärker die dauerhafte Schwächung.

2. Folge: Gefahr der Herzryhtmusstörung, und damit Unterversorgung im ganzen Körper. Also Tod.


Abgrenzung zum Schlaganfall:

Eine solche Verstopfung in einer Hirnader dagegen führt zu einem Schlaganfall (Hirnschlag, Hirninfarkt). Auch dort ähnliche Effekt: Unterversorgung von Teilen des Gehirns und Gefahr des Kollaps. Auch hier: 112 wählen.


(Laien-Schnelldiagnose, wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Ihr Gegenüber einen Schlaganfall hat: 1.) Fordern Sie den Betroffenen zum Lächeln auf. Grinst er schief und schneidet eine Art Grimasse, ist dies ein Warnzeichen, weil Gesichtsmuskel gelähmt sind. 2.) Sagen Sie der Person, sie soll die Zunge herausstrecken. Kann Sie das? Und kann sie die Zunge nach links und rechts bewegen? 3.)  Sagen sie ihr ferner, sie soll die Arme hochheben und nach vorne nehmen, und die Position für  fünf Sekunden halten - oder die Hände nach oben  zu drehen. Schafft derjenige das nicht, ist dies auch ein Indiz.  4.) Bitten Sie Ihr Gegenüber, einen einfachen Satz zu sagen, zum Beispiel „Heute ist es schön“. Bereitet der Satz Probleme, ist auch das ein Hinweis.

Leider ist Wikipedia in diesem Punkt zu technisch,  und andere Internet-Quellen sind oft unübersichtlich geschrieben. Jedenfalls nicht so, dass sich konkrete Maßnahmen einprägen.  Daher habe ich mich entschlossen, die wichtigsten Punkte hier zusammen zu fassen. Es entspricht dem, was wir auf der Reha gelernt haben, und auch im Internet zu finden ist. Ich möchte Sie aber anregen, selbst zu recherchieren)






Was machen die Ärzte beim Herzinfarkt?

Eine Infusion sorgt für flüssigeres Blut und für Schmerzlinderung.

Sie kommen in die Klinik.

Dort wird geröntgt, danach ein Katheder eingeführt, meist über den Oberschenkel. Tut nicht weh, Sie merken nichts davon. Der Oberschenkel ist örtlich betäubt, und der Draht, der durch ihren Körper geht - ich habe nicht das Geringste gespürt.

Der Katheder hat am Ende eine Kamera. Der Arzt sucht die Engstelle, bohrt sie dann etwas auf. Sofern das möglich ist. Das ist die Hauptarbeit, der erste Schritt.

Dann entscheidet er, ob er einen Stent setzt, ein Rörchen zur Stabilisierung, und welche Art von Stent er nehmen soll. Dazu muss er den Katheder nicht komplett neu einführen, das Setzen des Stents geht also relativ schnell. Bei mir hat er zwei Engstellen aufgebohrt und an einen dieser Engstellen einen Stent gesetzt.

Das Ganze könnte man an einem riesigen Monitor mit verfolgen. Ich war feige und habe nicht hingesehen. Schade eigentlich.





Dann kommen Sie für ein paar Tage in die Intensivstation, wo Sie überwacht werden. Das Herz muss sich erholen, Ihr Blut per Infusion mit bestimmten Medikamenten versorgt werden, ihr Herzrythmus überwacht werden.

Die Menge, die Sie trinken, und die Menge, die Sie urinieren, werden genau protokolliert und überwacht. Denn durch die geschwächte Herzleistung kann das Herz nicht in üblicher Weise das Wasser im Körper abpumpen.

Verminderte Herzleistung führt zu Wasser im Körper. Entweder schwellen Beine an, oder der Bauch, etcetera. Das war auch der Grund, warum in den Tagen vor meinem Herzinfarkt mein Bach so ungewöhnlich prall war, obwohl ich normal gegessen hatte.  Ich hatte damals zunehmend auf Blähungen getippt, und die Schmerzvorboten auf eine innere Auswirkung der Blähungen auf den Rücken. Gibt es ja auch.
Plötzliche, unerklärliche Gewichtszunahme wird auch in Zukunft etwas sein, worauf Sie achten. Das kann bedeuten, dass das Herz nicht richtig arbeitet, und nicht genug Wasser abpumpt. So hat man es uns bei der Reha erklärt.




Nach ein paar Tagen werden Sie in eine normale Station übeführt und dürfen schon mal ein paar Schritte gehen. Liegestützen sollten sie noch nicht machen.

Mein Intensivstationsnachbar erzählte mir, dass er bei seinem ersten Herzinfarkt, 20 Jahre davor, tatsächlich nach dem Umzug von der Intensiv auf die Normalstation überlegt hatte, ob er jetzt nicht wieder mal Liegestützen ausprobieren soll. Er war das gewohnt, als Bodybuildingmeister und Betreiber eines Fitnesstudios. Als er sich gerade am Boden positionierte, kam der Arzt herein. "Um Gottes willen, was machen Sie da!". Er durfte nicht. Aber später hat er das Training wieder aufgenommen,  und hatte erneut und mehrfach den Meistertitel geholt.




Panoramafoto Glaslift im Südteil der Uniklinik Regensburg


Herzinfarkt, Teil 3

Wie lief der nur der Herzinfarkt konkret bei mir ab?




Naja, so ganz passt das Bild nich zu meinem Fall. Von wegen Jüngling, haha.


Ich hatte darüber  vor einem Jahr schon auf einem anderen Blog berichtet, und erlaube mir, Textteile hier zu wiederholen, und das Ganze zu ergänzen.






Der Herzinfarkt kam hinterrücks. Er kündete sich zwar an, aber anders als erwartet. Nicht mit Brustschmerzen, nein, darauf wäre ich vorbereitet gewesen. Aber wer denkt schon, dass er rückseitig anklopft, mit reinen Rückenschmerzen nämlich. Die letzten paar Wochen schon gelegentliche unerklärliche Rückenschmerzen nach dem Fahrradfahren oder Treppensteigen, die nach 1 Minute vergingen.


Und etwas Kurzatmigkeit beim Treppensteigen, das war auch noch so ein Warnsignal der letzten Wochen. Wenn ich ein Stockwerk bei den Eckert-Schulen geschafft hatte, schnaufte ich wie nach drei Stockwerken. Jaja, mehr Sport, lästerten die anderen Dozenten, wenn ich klagte. Und ich murmelte immer  "trotzdem, irgendwie anders als sonst", sagte aber irgendwann nichts mehr, weil ich mich genierte.


Am Tag "vor dem Tag" hatte ich frei und war mit Yorki unterwegs. Ich dokumentierte die neue Umgehung beim Kalkwerk und machte einen Spaziergang im schönen Park des Gewerbeparks





Am Abend gemeinsames Essen mit der Hausgemeinschaft im Garten. Gelegentlich Schmerzanfälle am Rücken, die wieder vergingen. Der Bauch war prall und ungemütlich, was mir den Appetit vermieste. Ich tippte immer mehr auf Blähungen, denn ich hatte sowieso schon weniger gegessen als sonst.

Klopf, klopf!


Am Samstag war es soweit. Aufwachen um 6 Uhr morgens mit extremen Rückenschmerzen auf Schulterblatthöhe, die nicht aufhören wollten. Schweißausbrüche und Frieren. Gelegentlich ausstrahlende Schmerzen in Kiefer und Oberarme, aber kaum in die Brust.


Wickel und Hausmittelchen gegen die vermuteten Blähungen halfen nicht, und nach 3 Stunden überredete mich eine Nachbarin, den Notarzt zu holen. Dann kam der Trupp, fünf Mann, zwei Notärzte, drei Sanitäter, Malteser und Johanniter gemischt (Sonderkooperation in Regensburg, die teilen sich einen Wagen).

Ab da fühlte ich mich in guten Händen. Wie die gemeinsam agierten und mit mir umgingen, das war perfekt. Besser als in Emergency Room & Co. Nachdem schon die schmerzstillende Infusion zu wirken begann, brachte schon der parallel durchgeführte EKG das Ergebnis.



 Die Ärzte nickten sich zu. Ich dachte IMMER noch, es ist etwas anderes. Ich war IMMER noch sicher, dass das Ganze nichts mit Herzinfarkt zu tun hat. Ich nahm an, das Nicken bedeute: EKG unauffällig, Herz in Ordnung, das ist schon mal ausgeschlossen.

Aber sie sahen mich an und  sagten "Herzinfarkt". Und ich sagte: "Oha".

Ein paar weitere Morphin-Dosen waren notwendig, um die Schmerzen zu beseitigen. Halleluja, ging es mir gut.So gut wie schon lange nicht mehr.  So war ich in bester Stimmung, als wir mit Tatütata durch die Stadt fuhren und ich unterhielt mich launig mit dem Arzt.

Übrigens: die Sanitäter waren in 8 Minuten da, und ich glaube, so schnell ging es auch rauf zur Uniklinik.




Die Abläufe dort waren ebenso beeindruckend, wie der Erstkontakt. . Ich kam in einen großen, halbdunklen Raum auf einen Tisch, links von mir vier Monitore - die ich geflissentlich nicht betrachtete - eine Tür öffnete sich, und mitten in grün-rot leuchtenden Nebelschwaden hinkte eine behörnte Gestalt herein ...

Nein Quatsch, ein ganz hervorragender Arzt kam, ging beruhigend mit mir um, und machte im Team mit den Schwestern in ruhiger, gedämpfter Atmosphäre die Katheteruntersuchung. Davor hatte ich allerdings Angst. Unnötigerweise. Denn das war absolut harmlos. Weder den Schnitt in die Leiste spürte ich, noch das Durchführen des Katheters zum Herz.

Ach hätte ich doch nur gefragt vorher.  Aber icht traute mich nicht als Feigling outen ("Das wird jetzt wahrscheinlich unangenehm, oder?", "Tut das jetzt seeehr weh?")



Zwei der drei Äste im Herz waren völlig zu - eben Infarkt - und konnten mit Ballontechnik geweitet werden. In einen der beiden kam ein STENT, eine Art Röhrchen als Stütze, die in den nächsten Monaten einwachsen sollte.

Das Herz war natürlich in den drei Stunden auch unterversorgt. Dabei stirbt Gewebe ab. Das Herz hat verminderte Leistung, es pumpt nicht mehr so kräftig, und muss zudem erstmal sorgfältig vernarben. Daher gab es ein paar Tage Bettruhe auf der Intensivstation, danach auf der Normalstation.






Dann ging es auf zu einer Reha-Klinik. Eine Reha ist sehr empfehlenswert, denn dort lernen Sie Verhaltensregeln. Soviel kann Ihnen der Arzt in der Klinik gar nicht erzählen, wie da notwendig ist. Dass die Luftanhalten beim Bücken ein Riesenproblem wird, gefährliche Effekte beim Baden entstehen, Bergwanderungen und Aufenthalte auf hochgeliegenen Gegenden wegen der dünnen Luft eine Gefahr sein können, wie das Salz im Essen plötzlich gegen das Herz arbeitet und vieles mehr.

Reden und telefonieren war noch ein bisschen ein Problem. Denn auch die Atmung kommt nicht so mit, wie bisher, und nach längerem Reden schwindet die Stimme.

Ich fühlte mich prächtig, jedenfalls geistig und seelisch. Ich fühle mich auch nicht müde. Beim Rumsitzen und Reden, Schreiben oder Lesen fühlte ich mich ganz normal.

Aber wenn ich normal schnell aufstand und 10 m ging, merkte ich plötzlich. dass ich außer Atem bin, als wenn ich zwei Stockwerke hoch gestiegen wäre. Das lag an der verminderten Pumpleistung im Herzen. und dieses Herz musste sich erst wieder erholen. Der Effekt trat immer erst hinterherhinkend auf, also nach ein paar Sekunden.

Zur Erholung beigetragen haben der einstimmige Laubbläserchor der Rehaklinik, der nachmittags auf der Jagd nach dem verlorenen Laubblatt war.







DIE ZEIT NACH DEM HERZINFARKT


1.)  Nach dem Herzinfarkt ist der Patient herzschwach, aber nicht schwach.

 Er ist nicht schwach im üblichen Sinne, seine Muskeln sind noch kräftig. Aber ihm geht schneller die Puste aus, weil das Herz nicht mehr soviel Blut im Kreislauf umsetzen kann. Er hat ungenügende Herzpumpleistung, er ist herzinsuffizient - herzschwach.
Nach 8 Tagen, ich war aus der Intensiv raus und auf der normalen Station, konnte ich zwar normal gehen, aber nach 30 m musste ich Pause machen.  Außerdem konnte ich nur immer zwei, drei Treppenstufen nehmen und musste dann pausieren.
Eine Woche später, auf der Reha, konnte ich schon 5-10 Stufen nehmen, bevor ich pausierte. Bergauf gehen war noch nicht so recht drin.

In den Wochen danach wurde das Tag für Tag besser. Nach ein paar Wochen konnte ich schon ein Stockwerk hochgehen, ohne etwas zu merken, aber danach war eine Pause notwendig. Das Seltsame, auch heute noch, ist die Zeitverzögerung, mit der die Atemlosigkeit entritt. Ich mache etwas, gehe eine Rampe oder Treppe hoch, und merke keinen Unterschied zu sonst. Erst ein paar Sekunden danach merke ich, dass ich heftig atmen muss, dass mir die Puste ausgeht, und manchmal muss ich erst zurückdenken, was ich gerade gemacht habe. Aber die Tätigkeit selbst ist nicht anstrengender als sonst.
Am schlimmsten ist das Bücken. Da hält man unbewusst die Luft an und/oder kann nur flach atmen. Nach dem Aufrichten ist der Patient so richtig aus dem Atmen, so als wenn er zwei Stockwerke hochgerannt wäre. Ich persönlich merke das noch nach einem Jahr ganz deutlich. Freunde frage mich besorgt, warum ich so heftig schnaufe, nachdem ich etwas vom Boden aufgehoben habe. Ist aber ganz harmlos.




2.)  Über das Trinken und das Salz

Eine der Hauptaufgaben des Herzes ist das  Um- und Abpumpen des Wassers, das dann über die Blase ausgeschieden wird. Wenn das Herz nicht mehr richtig pumpt, sammelt sich Wasser im Körper an, z.B. in den Beinen, im Bauch,  oder in der Lunge, was das Atmen schwer macht.

Daher soll der Patient in den ersten Tagen nicht allzuviel trinken. Was sonst gut ist - wegen der Nieren - ist hier schlecht - wegen der Belastung des Herzens.


Einfach so eine Grafik. Könnte den Kreislauf symbolisieren.
Könnte aber auch einfach nur ein Experiment mit der creative-Software "context-free" sein. Wer weiß.


Da Salz das Wasser bindet, muss das Herz besonders stark kämpfen, wenn es seine Entwässerungsaufgabe erfüllen soll. Daher essen Patienten in der Erholungsphase salzarm. Manche auch noch später


salzarm .... bäääh


3.) Vorsicht vor Höhenluft

Den geplanten Urlaubsbesuch bei den Verwandten in Bogota, Kolumbien, 4000 m Höhe, sollte man vielleicht verschieben, bis das Herz wieder stärker ist. Ebenso Aufenthalte auf der Alm  in den Alpen, auch wenn man den Lift nimmt. Denn bei dünner Luft hat das Herz Schwerstarbeit zu leisten. Vorher den Arzt fragen. Zahlen nenne ich bewusst keine.




4.) Vorsicht vor Wasser

Für die erste Zeit zu meiden: Baden, schwimmen, sogar Baden in der Badewanne. Denn durch den Wasserdruck kann es zu Fehlreaktionen im Herzkreislauf kommen. Näheres erklärt der Arzt.
Für die spätere Zeit gilt: Vorsicht beim Schwimmen. Bedenken Sie: dass die Luft knapp wird, merkt man immer erst hinterher. Wenn Sie weit weg vom Ufer sind, ist das nicht optimal, wenn Ihnen die Luft ausgeht. Zwar besteht keine Herzinfarktgefahr, aber Sie könnten mangels Kraft ertrinken.

5. ) Autofahren

Autofahren kostet keine Kraft und ist deshalb eigentlich schon kurz nach dem Infarkt wieder möglich. Allerdings sind Versicherungen etwas pingelig, wenn etwas passiert.

6.) Wann kann ich wieder arbeiten

Büroarbeit kann man schon nach ein paar Wochen machen. Konzentration und energie sind im gewohnten Maße da, der Körper ist nicht geschwächt. Nur das Herz ist schwach, und wenn ich wenig Akten stapeln oder aufheben muss, komme ich nicht aus der Puste.

Möbelschlepper haben es da etwas schwerer.



 Ich selbst bin trotz Bedenken nach 8 Wochen wieder als Dozent aufgetreten. Ich saß etwas mehr als sonst, normalerweise renne ich vor der Teilnehmern auf und ab. Was mir Sorge machte, war das Reden selbst. Denn Sprechen kostet Atmung.

Es gab eine Zeit, das war circa eine Woche nach dem Infarkt, da musste ich für jeden Satz zweimal Luft holen. Luftholen, erste Satzhälfte, wieder Luftholen, zweite Satzhälfte. Luftholen, nächster Satz. Beim Dozieren, 8 Wochen später, war es natürlich besser. Aber ich konnte nicht mehr so viel und schnell durchreden, musste langsamer und leiser sprechen und mehr Pausen machen. Aber das bewegte sich im Rahmen des Normalen.


7.) Gewicht

Ob Übergewicht ein direkter Faktor für die Entwicklung des Herzinfarktes war oder nicht, kann man dahingestellt lassen. Für die Zeit NACH dem Infarkt gilt: 
wegen der verminderten Herzleistung ist jedes kg, das man zuviel hat, eine zusätzliche Arbeit für das Herz. Nicht das Fett im Körper ist ein Problem, nein, einfach das Gesamtgewicht und die Herzarbeit.

Das ist natürlich nur ein Faktor unter vielen und bedeutet nicht viel. Ich habe übergewichtige Patienten kennengelernt (meist übergewichtig wegen Medikamente, als unvermeidbar übergewichtig), die kamen ganz gut klar mit ihrer Situation. Und einer der Patienten konnte nach zwei  Monaten wieder als Kabarettist auf der Bühne auftreten. Ohne Probleme.



8.) Kaffee?

Kein Problem. "Kaffee wird überschätzt", sagte ein Arzt lakonisch. Und ein anderer lachte "der Kaffee auf  DIESER Station ist keine Gefahr". Denn ich hatte ihn gefragt, wieso ich in der Klinik Kaffee angeboten bekomme, obwohl ich gleichzeitig täglich Tabletten gegen Bluthochdruck und was weiß ich bekomme.

Ich weiß nicht warum, aber der Kaffee macht mir wirklich keine Schwierigkeiten. Offenbar verhindern die Tabletten den üblichen Effekt. Der Herzpatient bekommt nämlich sowohl Tabletten gegen Bluthochdruck als auch Tabletten, die einen ruhigen Herzschlag sichern. Letztere verhindern generell die Beschleunigung des Herzschlags aus üblichen Anlässen.






9.) Keine Angst vor Aufregungen



Und jetzt etwas ganz Wichtiges für die Angehörigen und Freunde:

Der Patient ist nicht schreckhaft, wie ein Mordopfer in einem Agathe-Christie-Roman. Er ist auch nicht infarktgefährdet, wenn es zu Stress kommt. Er ist ferner nicht infarktgefährdet, wenn er außer Atem kommt, weil er zu schnell die Treppe rauf ist oder sich beim Schwimmen übernommen hat.

Aufregung oder Herzüberbeanspruchung führen zunächst nur zur Atemlosigkeit, schlimmstenfalls also zu Schwindel. Aber lösen nicht notwendig Herzinfarkt aus.

Wegen des eingesetzten Stents und der blutverdünnenden Medikamente ist wahrscheinlich ein frischer Herzpatient am allerwenigsten gefährdet, im Vergleich zu den Leuten um ihn herum. Er kann nur außer Atem kommen! Natürlich ist es theoretisch denkbar, dass er wieder einen Infarkt erleidet, trotz Stent und Medikamente, aber wie schon der erste Herzinfarkt, passiert das meist im Schlaf und nicht weil man einen Steuernbescheid bekommen und sich aufgeregt hat.

Packt also den Patienten nicht in Watte. Sprüche wie, er soll unbedingt Aufregung vermeiden, regen ihn nur auf. Er kann auch ruhig was tragen, auch die Treppe rauf. Wenn es zuviel ist, merkt er es schon, dann schnauft er halt. Aber er bekommt keinen Infarkt. Sie müssen sich nicht ständig Sorgen machen, dass er wieder umkippt. Überhaupt: Der Infarkt kommt selten während einer Aufregung oder während der Arbeit. Er kommt sogar häufig im Schlaf (siehe Teil 2 der Serie).

Also nochmal: dass das Herz schwach ist, bedeutet nur, dass die Pumpleistung ungenügend ist, und der Patient schneller außer Atem kommt. 

Gefährlich wird es nur dort, wo Schwindel selbst gefährlich ist:

  • beim Schwimmen, wenn die Puste ausgeht, droht kein Herzinfarkt, aber Ertrinken. 
  • beim Radfahren im Straßenverkehr droht ein Unfall wegen Gleichgewichtsverlustes,
  • beim Bergwandern kann der Schwindel zu einem Absturz führen, wenn man nicht gerade auf einer flachen Wiese wandert.
  • beim Kofferschleppen die Treppe hinauf kann er stürzen und wieder nach unten kullern.


Natürlich: langfristig ist Stress deshalb schlecht, weil bzw. wenn es den Blutdruck hoch hält, und das wiederum sorgt für unreine Arterien, weil das Blut zu schnell durchjagt. Es bilden sich Ablagerungen. 

10.) Wann darf ich wieder Sex machen?

Die Ratgeber sagen: Sobald man auch wieder eine Treppe steigen kann.




11. Wo bekomme ich in diesem chaotischen Internet die besten Informationen zum Thema Herzinfarkt?

Bei der deutschen Herzstiftung. http://www.herzstiftung.de/