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Donnerstag, 13. November 2014

Allegorie auf den Berliner Mauerfall - ein Nachtrag zum 25 jährigen Jubiläum



Ich experimentierte vor kurzem mit Fraktalbildern, die ich  mit JWildfire (eine Software ähnlich Apophysis) schon vor Monaten erstellt hatte. Ich nahm ein Bild aus einer für sich schon sehr schönen und spektakulären Serie, bei der man eine Art gläsernen Tempel oder gläserne Kuppel sieht. Meine Überlegung war, ob man dieses Bild mit sehr weichen, schwungvollen Formen und gläsernen Strukturen nicht irgendwie aufbrechen kann.

Ich versuchte den Effekt des Tekno-Fragmentation, das ich die Software Repligator 15 bereithält - eine Software, mit der ich schon seit  17 Jahre Digital-Art-Bilder machte (www.sisyphus-art.de). Damit entstehen dreieckige Splitter, die so gar nicht zu dem weichen Originalbild passen, das nur Rundungen kennt.

Solche Kombinationen habe mich früher schon fasziniert, und auch dieses Ergebnis fand ich ganz interessant, auch wenn ich schon bessere Kombinationen dieser Art erzeugt habe. Aber da an diesem Tag gerade 25 Jahre Jubiläum Mauerfall gefeiert wurde - im Hintergrund lief der Nachrichtensender - wurde mir klar, dass ich hier eine schöne Allegorie geschaffen hatte.

Die Glocke oder Kuppel als Gefängnis, durch die Entwicklung der 80er Jahre schon fast durchsichtig aber immer noch undurchdringlich und somit nicht weniger brutal für die Eingeschlossenen - wie eine Voliere, oder wie die Kuppel in der Serie "under the Dome".

Dann, völlig überraschend, zersplittert dieses Glasgefängnis, explodiert fast. Keine Glassprünge als Vorwarnung, keine kleinen Lecks und Löcher, nein, die ganze westliche Kuppelwand zerbirst und macht das Land frei. Die restlichen Kuppelwände  haben keinen Sinn mehr, das Land ist frei. Die Leute, so überrascht wie  unschuldig Eingesperrte, die sich schon auf seinen Lebensabend im Kerker eingerichtet haben, und plötzlich das Sonnenlicht sehen, weil ein Naturereignis die  Gefängniswand weggesprengt hat.

made with JWildfire


Ich habe das Bild dann mit diesem Thema verknüpft und  - wie üblich - bei einer jwildfire-facebook-Gruppe  gepostet. Die Resonanz war ungewöhnlich gering in dieser überwiegend amerikanisch besetzten und englischsprachigen group. Nur ein paar likes, nicht die üblichen Kommentare. Ich denke, kaum jemand hat das Bild verstanden.

Aber das ist nicht schlimm - ich selbst sehe das Bild immer wieder gerne an und denke an den historischen Tag, so wie ich ihn erlebt habe, sei es vor dem Fernseher oder aber live  in Hof am Grenzübergang Ulitz. Und bevor ich das Bild vom Desktop in den Ablageordner mit den anderen 4000 Fraktalbildern verschiebe, möchte ich es noch einmal zeigen.

Die oben genannten Erinnerungen an die Grenzöffnung bei Ulitz  hatte ich in einem Artikel am 2. 10. 2008 hier im Tagebuch veröffentlicht. Bei einem Hackereinbruch am Server im Jahre 2011 ging dieser Artikel - wie alles vor 2010 - lange Zeit verloren. In den letzten Monaten habe ich bekanntlicherweise fast alle Artikel aus 2007 bis 2010 wiederherstellen können.

So auch diesen Artikel, den ich dann noch um neuere Bilder ergänzt habe.

Aber es wird kaum jemand regelmäßig kontrollieren, ob sich bei meinen Einträgen im Jahre  2008 etwas geändert habe. Deshalb, und anlässlich des 25 jährigen Jubiläums des Mauerfalls, drucke ich den Artikel hier nochmal ab:

Tagebucheintrag 2. Oktober 2008 im Regensburger Tagebuch

http://www.regensburger-tagebuch.de/2008/10/erinnerung-die-wiedervereinigung.html

Regensburg, 2. Oktober 2008, nachts um halb zwölf. Ich komme gerade nach Hause. In der Altstadt ist die Hölle los. Trotz Kälte stehen und laufen ganze Gruppen durch die Straßen, und zwar nicht diszipliniert, wie man das bei uns gewohnt ist, sondern fröhlich lärmend wie im Fasching. Vor der Cafe-Bar, vor dem Moritz, in der Pustetpassage, überall Gruppen.

Allein an der Tatsache, dass morgen ein Feiertag ist, kann es nicht liegen, das entspricht nicht der Erfahrung. Entweder ich habe etwas verpasst, oder die Leute feiern wirklich die Wiedervereinigung.

Erinnerung an den großen Tag

Ich erinnere mich, der Tag, nach dem sich in Berlin die Grenzen geöffnet hatten. Wir saßen gebannt und gerührt vor dem Fernseher.

 Am liebsten wäre ich sofot nach Berlin gefahren, aber die Transitstrecke war noch nicht frei. Also packte ich meinen Sohn und wir fuhren zu Bekannten nach Hof.

Auf der wenig befahrenen Autobahn kamen ab uns zu Trabbis entgegen, hupend und blinkend, und wir hupten zurück. In Hof hatte die Polizei, ein dickes Lob an die Stadtverwaltung, bereits die Altstadt für den Verkehr gesperrt und Helfer wiesen alle Besucher aus Ost und West auf große Parkplätze am Rande des Stadtkerns.




Die Altstadt selbst war dicht gefüllt. Im Gegensatz zu den Straßen außenrum und im Gegensatz zu Berlin wurde wenig gejubelt oder gefeiert. Die Leute schoben sich ruhig durch die Menge, wie verwirrt, in Trance, Orientierung in der neuen Umgebung suchend. Mit Orientierung meine ich natürlich nicht die Örtlichkeiten, sondern den Alltag im Westen - wie läuft das hier, was gibt es hier, wie verhält man sich hier und und wie spielt sich der Alltag ab. Man erzählte mir, dass an den fliegenden Ständen die Bananen, die Ananas und die Coca-Cola-Getränke aus waren und wegen des Sonntags nicht nachgefüllt werden konnten.



Ulitz ist offen!




Wir übernachteten in Hof. Am nächsten Tag machten wir uns schon für die Rückfahrt bereit, als die Meldung kam: "Ulitz ist offen".

Ulitz ist ein kleines Dort, ca 20 km nördlich von Hof, das einen normalerweisen unbenutzten Grenzübergang besaß (heute scheint es den Dorfnamen verloren zu haben) Also dort hin, eine Kamera hatte ich leider nicht dabei.






Es war ein sonniger Vormittag und die Strecke führte durch eine hügelige und wunderschöne Gegend, grün und mit weidenden Pferden. 1 km vor der Grenze war die Straße einseitig gesperrt, man musste in einer Seitenstraße parken. Von dort pilgerten die Leute rechts und links Richtung Ulitz und winkten den entgegenkommenden Trabbis zu.

Das Dorft Ulitz liegt auf der Höhe einer langestreckten unbewaldeten Kuppe, und bestand aus ein paar Häusern zur linken des Wegs. Rechts war nur Wiese, soweit ich mich erinnern kann.

Am letzten Haus endete der geteerte Weg, ging in einen unbefestigten Weg über, der ca 500 m weit durch die Wiesen verlief, und dann hinter Kuppe verschwand.





Im Hintergrund sah man Wälder. Grenzbefestigungen waren nicht sichtbar; offenbar war die eigentliche Grenze außer Sicht.

Polizisten sorgten dafür, dass niemand die unsichtbare Grenze am letzten Haus übertrat, und rechts und links standen die Leute Spalier und begrüßten alle Neuankömmlinge.

Am Spalierbeginn hielten die Trabbis kurz an oder verlangsamten, so dass ein paar Worte gewechselt werden konnten. Und einige der Fahrer, die auf der Wiese noch aufgeregt freudig nach vorne geblickt hatten, brachen bei der Ankunft beim Spalier in Tränen aus, wollten etwas sagen,  und konnten nicht mehr weiterreden.


Der Weg in die Freiheit


 Ein ergreifendes Erlebnis, dass mir noch lange Gänsehaut verursachte, wenn ich an diese Momente zurückdachte. Auf der Rückfahrt war ich jedenfalls sehr nachdenklich.

--- Ende des Eintrags ---


Zum Bild: Wenn der nächtste Jahrestag kommt, und ich noch daran denke, werde ich das Bild in höherer Auflösung und ohne den störenden Text (der für die facebook-Gruppe notwendig war) erneut erstellen. Vorläufig habe ich zuviele andere Projekte und lasse das Bild im Original.