Regensburger Tagebuch

Notizen von der nördlichsten Stadt Italiens

Dienstag, 6. Januar 2015

Bericht von der Finissage im Kunstverein GRAZ in der Schäffnerstraße

Bericht von der Abschlussveranstaltung der Jahresausstellung im GRAZ

Eva Karl, Renate Christin


Es war ein harter Anlauf für mich, der Abend.

Das Lokal, in welchem wir vorher schnell was essen wollten, war zu, andere Lokale auch, und dann wurde die Zeit knapp. Meine Mitfahrgelegenheit war nach Hause gefahren.

So stand ich ausgefroren und hungrig im Hinterhof, wo sich die Leute vor dem Eingang stauten. Eine Frau mit einem Notizblock in der Hand befragte offenbar die Leute einzeln, ich hörte, wie sie zum anstehenden Besucher scheinbar "unwirsch" sagte: "Na dann geh schon rein", und zum Nächsten "Und, was hast Du zu sagen?".  Nö, für solche Spiele habe ich jetzt keinen Nerv, dachte ich frierend,  auch wenn es vielleicht zum Programm gehört.

Ich drehte mich um, verließ den Ort  und ging einen Imbiss suchen. Wie ich später hörte, hatten sich viele Besucher über den komischen Empfang geärgert.

Eine halbe Stunde später, endlich satt und wieder  aufgewärmt, ging ich nochmal hin. Das wäre ja noch schöner. Eine halbe Stunde durch die Kälte nach Hause laufen, ohne was erlebt zu haben, dachte ich; da streite ich doch lieber mit der Tussi.

Die Empfangsdame war weg, die  Lesung fing gerade an, der Saal war gestopft voll wie selten.  Und der ganze restliche Abend war ein Riesen-Spaß.


Der  Text von Eva Karl zum Thema Dialog war ein Hammer. Selbstironisch lustig, wie von Kishon selbst, und kabarettistisch-schauspielerisch hervorragend. Wenn das blöde Mikrofon nicht so gesponnen hätte, erfuhr ich später, hätte sie frei umhergehen und gestikulieren können, so musste sie   etwas verkrampft dasitzen.

Der Text war auch inhaltlich brutal ehrlich, und blieb immer beim Thema "Dialog". Eva Karl hatte früher viel für den Verein GRAZ gemacht, hatte sich dann aber völlig zurückgezogen, was mich damals wunderte. Und sie ist ist anlässlich dieser Veranstaltung wieder auf den Verein zugegangen. Dialog, eben, Aussprache. Das deutete sie in der Lesung an, ich verrate hier also kein Insiderwissen.



Inzwischen malt der Künstler Sigurd Roscher munter auf eine riesige Leinwand, die Idee war, dass er spontan den Text bildlich kommentiert. Da keine Zeit für eine vorbereitende Abstimmung blieb, war das schon eine happige Aufgabe. Viele werden ihm nicht zugesehen haben, denn es war schwer, sich dem lustigen Pointenfeuerwerk von Eva Karl zu entziehen, und statt dessen dem Malvorgang zuzusehen. Noch dazu, da der zweck des Malens dem Publikum weitgehend unbekannt war. 



Beifall für Eva Karl nach ihrer Lesung


Der Journalist von der MZ hat den Text von Eva Karl anders bewertet als ich.

http://www.mittelbayerische.de/nachrichten/kultur/artikel/eine-sehr-duenne-decke-mit-aermel/1173015/eine-sehr-duenne-decke-mit-aermel.html

Aber das  dürfte wohl eine Auswirkung des komischen Procedere am Eingang gewesen sein, über den der Kollege ebenfalls kritisch schrieb. Selbst ich war  die ersten zehn, fünzehn Minuten des Abends immer noch leicht aggressiv und konnte deshalb anfangs der Lesung wenig Sympathie entgegenbringen.  Ich musste mich dazu zwingen, objektiv zu urteilen, und anerkannte zunehmend, wie hervorragend Text und Vortrag waren.

Ähnlich ging es übrigens auch anderen Besuchern, wie ich später in Gesprächen erfuhr. Ein seltsamer psychologischer Effekt.  Eva Karl musst etwas ausbaden, mit dem sie nichts zu tun hatte. Auch GRAZ-Mitglieder waren nicht unbedingt begeistert von dem aufwühlenden  Empfang. Schließlich herrscht  gerade in den Räumen des Kunstvereins stets eine  lockere und freundliche Atmosphäre, was die Veranstaltungen dort so beliebt macht.



Nach der Pause kam eine "Performance", die so angekündigt war (ja, auch von mir, aber im Dezember): Lesung: "Jetzt! Mediale Dialog Performance mit Déjà-vu-Effekt
von und mit Lautstark (Kia Böck und Johannes Kochs)"

Also kia Böck und Johannes Kochs lasen diejenigen Sätze vor, die die eintretenden Besucher der genannten Empfangsdame diktieren mussten, und unterhielten sich darüber.  Da dürften saftige Bemerkungen dabei gewesen sein. Ich habe so gut wie nichts verstanden, denn das war ohne Mikro und ich war ganz hinten. Aber der Saal lachte die ganze Zeit. War also lustig.  Zumindest das.





Da ich sowieso nichts verstehe, sehe ich mir in den hinteren Räumen die heute letztmals  noch ausgestellten Kunstwerke an.



work in progress - an der Toilettentür




Übrigens: als ich da raus kam, hatte schon wieder jemand was dazugeschrieben. DAS war also das mysteriöse Kratzen an der Tür. Ich hatte schon Angst, jemand hält es nicht mehr aus ...


Nach der Performance gab es noch  stundenlang gute Stimmung und schöne Gespräche.





Renate Christin, rechts
Eva Karl

Wer nach der Selbstbeschreibung im Lesungstext ging, musste davon ausgehen, dass sie ein Unsympath ist. Aber sie war sowohl heute abend  wie  auch früher (ich hatte sie schon vor Jahren kennengelernt, als sie mit meinem Sohn studierte) freundlich, lustig und sympathisch.  Ich frage sie ein bisschen über die letzten Jahre aus, und was sie so vorhat. Renate Christin beteiligt sich auch im Gespräch. Dabei erfuhr ich auch, dass sie vor kurzem anlässlich der Heirat ihren Namen gewechselt  hat, vorläufig aber noch unter dem schon sehr bekannten Namen Eva Karl auftritt. Wie das künftig ist, bleibt offen.



Albert Plank, Künstler; Mitglied Kunstverein GRAZ

Eva Karl
Siehe auch:




Bericht über die Vernissage zur fast schon legendären streetart-Ausstellung im Kunstverein GRAZ aus dem Jahre 2009, gleichzeitig Eröffnungsveranstaltung des GRAZ in den neuen Räumen, die Eva Karl damals  unter viel Aufwand kuratiert hatte. Dazu gehörte ein organisatorischer Kraftakt, denn die internationale Künstlerbesetzung musste nach Regensburg geholt, untergebracht und in die Aktion eingebunden werden.






Mehr Infos über das Projekt, das weit mehr als nur eine Ausstellung umfasste, gibt es auch in der Vorankündigung und Pressemitteilung