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Donnerstag, 1. Januar 2015

Ein frohes neues Jahr 2015, liebe Leser

Ein gutes neues Jahr 2015, liebes Regensburg

Es ist also da, ds neue Jahr. Und manche waren erstaunt, dass in den letzten Tagen nichts zu lesen war. Umstände hindert mich, eigentlich skandalöse Umstände, über die ich ursprünglich auch berichten wollte. Aber ich habe mich anders besonnen.

Denn wichtiger ist doch die Frage, die wir uns alle stellen müssen: wie geht es mit uns weiter? Was wird mit uns in 2015?

Foto von den Leuchtstäben, die wir in einem Glas auf dem Tisch gesammelt
haben, geklaut von der facebook-Seite von Antonia Kienberger.


Im Kreise lieber Freunde haben wir Leuchtstäblichen zum Leuchten gebracht und Wünsche ausgesprochen. Aber das ist nur Spielerei. Denn Wünschen hilft nur im Märchen. Die wichtigere Frage muss deshalb lauten: Was wollen wir aus unserem Leben machen, nein, was wollen wir aus UNS machen?


Und damit die Frage nach den guten Vorsätzen. Und hier liefern uns die Gelehrten aus zweieinhalb Jahrtausenden eine überraschend einfache Lösung:

Humanitas. Menschlichkeit. 


Wir sollten versuchen, an unserer Persönlichkeit zu arbeiten, an unserem Charakter, an unserer sozialen Fähigkeiten. Man kann es gleichsetzen mit Bildung, aber im klassischen Sinne, von Platon und Aristoteles, über Hildegard von Bingen, Kaiser Friedrich, Thomas von Aquin, Leonardo da Vinci, Goethe und Humboldt bis hin zum modernen Gelehrten wie  Neumann, der die geistigen Grundlagen der Computertechnik schuf - aber als Philosoph, als Mathematiker, als Universalgelehrter

Dieses Wissen um den Sinn der "Bildung" ist in diesem Jahrhundert untergegangen. Im 19. Jahrhundert noch versuchten viele Bürger, diesem Streben der Gelehrten aller Zeiten nachzugehen. Man sagte, der Mensch soll nach höherem streben. Man kreierte den Begriff "Allgemeinbildung", heute wird das verwechselt mit Allgemeinwissen, Kreuzworträtselwissen, Quizsendungs-Wissen.

In Wirklichkeit ging es aber darum, durch Studium vieler Lebensbereiche, nennen wir es mal "Wissenschaften", ein besserer Mensch zu werden. Besser sich selbst verstehen, besser andere verstehen, besser mit anderen und der Welt umgehen.

Da Vinci ist nur ein Beispiel unter Tausenden. Nein, er war nicht einfach nur  Künstler. Er war Gelehrter. Er hat sich Mathematik beschäftigt, miti Biologie, mit Astornomie, mit Physik, mit Optik, mit Philosophie, und mit Kunst. Denn Kunst war übrigens immer auch ein Bestandteil der "Bildung" im klassischen Sinne, lernt man dadurch doch besser beobachten, und gefühlvoller oder einfühlsamer zu werden, gleichzeit auch fantasievoller (und, das ist mein Ernst: Fotografieren gehört hier genauso  dazu wie malen oder modellieren).



Da Vinci hat Körper seziert und Studien gemacht. Sein berühmtes Bild vom Mann im Kreis ist eine verbesserte Version des schon tausend jahre lang davor kursierenden Mensch-im-Kreis-Symbol von Vitruvia  basierend auf seinen eigenen Untersuchen, die zeigten, dass die Gliedmaßen-proportionen eben NICHT in einen Kreis passen. Und man deshalb den Vitruvia-Mensch nicht weiter kopieren sollte.

Die Arme passen nur dann in den Kreis, wenn sie erhoben sind. Ausgestreckt passen sie in das von da Vinci gezeichnete Viereck. Somit weicht da Vinci das erste mal von dem Vitruvianischen Symbol ab, das bis dahin in Gelehrtenbüchern weiter gegeben wurde.


Und Goethe hat dasselbe gemacht: Seziert, anatomisch studiert, chemisch experimentiet, Jura studiert und praktiziert, sich mit Mathematik, Phiolosphie, Phyisk, Optik, Kunst, Rethorik, ja sogar mit doppelter Buchführung beschäftigt. Er war also nicht einfach Schriftsteller oder Dichter - das wäre eine lächerliche Vereinfachung, nein Verzerrung. Er hat das getan, was auch schon Hildegard von Bingen gemacht hat: universal studiert, ebenso Kaiser Friedrich, ebenso Thomas von Aquin und Newton

Und ebenso die vielen römischen Gelehrten, z.B., Cicero oder Mark Aurel.

Letzterer hat Regensburg gegündet. Es lohnt sich also für uns Regensburger schon mal, da mal zu reinzulesen: In die berühmten "Selbstbetrachtungen" .

Ein Lebensratgeber, ein alltagsphilosophischer Schatz - sie sind kostenlos im Internet lesbar. Und verdammt gut lesbar.  Da können Sie viele heutige Lebensratgeber in die Tonne stampfen..

Diese "Selbstbetrachtungen " waren für die nächsten zwei Jahrtausende wichtige Inspiration für alle Gelehrten. Oder besser: für alle, die "studierten", nicht an einer Uni, sondern sich einfach für die klassischen Bildungsgebiete interessierten.

Auch Cicero, mit seinen Büchern über den Staat oder über "Über die Ziele menschlichen Handelns" folgten dieser Linie von Allgemeinbildung.


Und damit folgten die Römer wiederum den alten griechischen Gelehrten, die diese ganzheitliche Idee der Menschformung erfunden haben - parallel zu den chinesischen, indischen und arabischen Gelehrten.

 "Bildung", wie wir es heute nennen würden, oder besser "Beschäftigung mit Themenbereichen", um daran zu reifen. Um ein besserer Mensch zu werden. 

Und dazu gehörte neben den Gebieten, die wir heute Kosmologie, Physik, Mathematik und Chemie bezeichnen würden auch die Dichtkunst, die Farbenlehre, die Musiklehre, die Rethorik und mehr.


Der Satz von Pythagoras, der Satz von 'Thales, die mathematischen Regeln von Euklid - der heutige Mensch denkt, das waren  Mathematiker. Waren sie aber nicht. Sie gehörten vielmehr  zu den hunderten von Universalgelehrten, die nach menschlicher Reife suchten.

Und diese Leute als Philosophen oder Mathematiker zu bezeichnen, ist ein Zeichen von Hilflosigkeit, weil uns verschwiegen wurde, dass es diesen Universalbildungsgedanken gibt. Gab.

Und darum bezeichnen wir Goethe hilfloserweise als Dichter, Leonardo da Vinci als Erfinder, von Bingen als Kräuterhexe und Humboldt als Reisende. Nennen wir sie doch besser Gelehrte. Genauso wie es die drei - oder vier, das ist streitig - Weisen aus dem Morgenland aus der Bibel waren.

La scuola di Atene
Die Schule von Athen, ein berühmtes Gemälde von Raffael, 1509,
zeigt die griechischen Gelehrten, als ob sie gleichzeitig gelebt hätten


Sollen wir jetzt klassische Gelehrte lesen?

Ach neee, dazu reicht uns die Zeit nicht. Das hat man noch kurzem  so gemacht - gelesen, darüber nachgedacht, darauf aufgebaut und ein neue Schritte hinzugenommen.

Nein, für den nichtstudierenden Bürger gilt es nur, den Grundgedanken des Gelehrtenstrebens weiterzuführen. Der Gedanke: Wir sollten nicht einfach so dahinleben und neueste Klingeltöne herunterladen und Katzenvideos austauschen. Sondern an uns arbeiten. Uns mit uns selbst beschäftigen (wenn Sie wollen können Sie in Wikipedia unter "Humanismus" und "Renaissance" weiterlesen).

Das hat viel mehr Vorteile, als man denkt.

Beispiel "Psychologie" - Marc Aurel hat es richtig beschrieben: wenn ich sorgfältig und kritisch mich selbst betrachte - heute würden wir sagen: psychologisch analysieren- die eigenen eifersüchtigen oder neidischen Gefühlsregungen, Gedanken der Rache, Wunsch nach Macht, Angeberei und alle die anderen Verhaltensweisen, die uns prägen  -  je mehr wir uns selbst reflektieren, desto besser verstehen wir auch unsere Umgebung. Die vielen "Verrückten" um uns herum (alle sind bekanntlicherweise verrückt, nur wir nicht).

Wir verstehen plötzlich, warum andere schwindeln, angeben, verleugnen oder eifersüchtig reagieren.

Zusätzliche Lektüre moderner Literatur hilft hier natürlich auch, ja, kann sogar gewaltige Erkenntnisschübe hervorrufen.

Die erhellenden Bücher von Josef Kirschner zum Beispiel (allein das Buch "DieKunst ein Egoist zu sein", sollte man jedem Heranwachsenden als Pflichtlektüre verordnen), Norwood (Wenn Frauen zu sehr lieben), Berne (Spiele der Erwachsenen, Transaktionsanalyse), Eckert von Hirschhausen (alle Bücher), Watzlawik (Anleitung zum Unglücklichsein).

Die seltsamen Verhaltensmechanismen, die hier erklärt werden, helfen so einiges Mysteriöse  zu verstehen. Und dann wäre es auch vermeidbar, dass in facebook shitstorms entstehen, wenn jemand etwas tu, was nicht gleich verständlich ist. Zum Beispiel eine Frau zu ihrem Mann zurückgeht, der sie schlägt, oder ein Drogensüchtiger seine eigenen Eltern belügt und betrügt, um an Geld zu kommen, und und und.

Beispiel Staatswesen

Die klassische Beschäftigung mt dem Staat und den Staatsformen kann man natürlich auch nicht mehr so betreiben, wie man es zweieinhalb Jahrtausende (eigentlich bis heute!) macht.  Hier müssen wir ein bisschen die Ziele korrigieren:

Wichtiger wäre für den Normalbürger, dass er mehr Ahnung hat von unserem Steuersystem, unserem Rentensystem, unseren Krankensystem, von Zusammenhängen imBereich Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft. Dann können Politiker uns nicht mehr so verarschen, wie sie es die ganze Zeit tun. Und es können keine solchen Vorurteile entstehen wie: wenn ich ein französisches Auto kaufe, dann schade ich der deutschen Wirtschaft (Quatsch), wenn wir den Griechen Sparen aufzwingen, ist das eine gute Idee (Quatsch), wenn wenn wenn... Ach, wissen Sie was? Fangen Sie an, sich selbst zu informieren.

Es dauert. Es ist eine Lebensaufgabe. Aber man kann es ja dosieren. immer wieder ein bisschen, mal so zwischendurch, wenn eine Schlagzeile uns neugierig macht ... Was steckt eigentlich genau dahinter, wenn die Politiker um den "SoliZ" streiten.

Und das Internet macht es möglich: Sie können in die Tiefe gehen und forschen. Und feststellen, welche Politiker meist nur Schwachsinn reden.

Ich behaupte, ganzheitliche Bildung in obigem Sinne, "Universalbildung" wenn man so will, klassische Bildung, Allgemeinbildung,  ist heute für jedermann möglich. Da werden jetzt einige protestieren. Aber ich stehe dazu. Ich arbeite seit 25 Jahren in der Erwachsenenbildung. Und ich habe selbst den zweiten Bildungsweg beschritten, zu einer Zeit ohne Internet. Und ich beschäftige mich nun seit 5 Jahren mit diesem Thema - Internet und PC als Mittel der Selbst-Bildung.

Der Computer? Das Internet?

Im Grunde ist es doch so, seien wir einmal ehrlich:

Wer den PC nutzt, um Spiele zu spielen, nutzt wohl einen Maserati, nur um Bier-Nachschub vom Getränkemarkt zu holen.

Und wenn wir  das Internet nutzen,  nur um aus Langeweile lustige youtube-Videos anzusehen, und ab und zu was zu "googeln", dann würden wir die Bibliothek von Aleandria benützen, um Papier zum Kaminanzünden zu sammeln. Aber das sage ich nicht von oben herab. Denn man muss sich intensiv damit beschäftigen, um zu entdecken, welche Schätze und das Computer-und-Internet-Versum verschafft.



Blickt über den Tellerrand! (Montage und Foto vom Ludwig-Denkmal: P. Burkes)



Zurück zum guten Vorsatz

Also haben wir eine Aufgabe. An uns zu arbeiten. Ein Leben lang. Mit einer Zeiteinteilung, die uns selbst obliegt. Das ist es, was die Leute mit dem Spruch vom "lebenslangen Lernen" meinten, nein wirklich. Wir reden hier nicht von der Not, dass man sein berufliches Wissen aufstocken muss. Das eigentliche Lernen fängt als Erwachsener an, aber es ist ein vollkommen anderes "Lernen" als in der Schule.

Das ist überhaupt nicht anstrengend! Das ist spannend, interessant, erhellend. Und mit Computer und Internet ist es unglaublich abenteuerlich.

Aber nicht vergessen. Hauptziel ist die Humanitas. Der Versuch, nach Menschlichkeit zu streben.

Mit all seinen Facetten: sozial zu sein, mitfühlend zu sein, barmherzig zu sein, zu helfen, nicht negative Stimmung zu verbreiten.


Raffael 054.jpg
Allegorie der Tugend, von Raffael („Raffael 054“)
http://de.wikipedia.org/wiki/Tugend

Das, meine lieben Leser, war meine ganz persönliche Neujahrsansprache. Als Ausgleich für so einige Artikel, die als Entwürfe stehen bleiben mussten. Ich wünsch allen Lesern viel Gelassenheit und viel Neugier für das Jahr 2015!


PS:

Die im Laufe von 6 Jahren stufenweise entstandene  Bildmontage von der Galaktika Ratisbona (Scheibenwelt Regensburg) und einem JWildfire-Fraktal, die ich zu Weihnachten auf dieser Webseite hochlud, ist nicht ganz so zufällig. Ich habe mich von Yggdrasil, dem Weltenbaum,, inspirieren lassen. Keine Angst, das ist nichts Esoterisches. Aber durchaus interessant: http://de.wikipedia.org/wiki/Yggdrasil und http://de.wikipedia.org/wiki/Baum_des_Lebens)




Originalbild (aus Wikipedia), Baum des Lebens

PPS: Und manchen Leuten in München und Bayreuth wünsche ich auch viel Reifen und Erkenntnis, auf dass wenigsten künftige Bürger weniger Unbill erfahren. Tut mir leid - aber dieser Seitenhieb musste sein.