Regensburger Tagebuch

Notizen von der nördlichsten Stadt Italiens

Donnerstag, 23. April 2015

Als die Hölle über Regensburg hereinbrach Teil 4

Napoleon kämpfte nicht allein, auch Marshall Lannes und Marshall Davoust kämpften mit ihren Truppen. Nachdem Napoleon sich in der Nähe des Peterskirchlein, etwa dort, wo heute die Hemaustraße beginnt, eine Verwundung geholt hatte, wurde das Bombardement forciert, und auf den Peterstor-Turm sowie ein Haus im Stadtosten konzentriert. Letzteres führte zu einer Bresche, aber damit war der Übergang noch nicht gesichert - es folgten noch dramatische Szenen, die Wackenreiter wie folgt beschreibt



Die Mauerbresche im Stadtosten
 






... bald lösten sich namhafte Theile des Mauerwerkes ab, stürzten in den Graben, Trümmer und Schutt legten sich an die Außenseite der Mauer und bildeten so einen ziemlich bequemen Aufgang, von der Sohle des Grabens auf den Wall und die Mauer.
Allein der Niedergang in den tiefen Graben an der steil gemauerten äußeren Grabenwand und unter dem heftigsten feindlichen Feuer, blieb immerhin noch äußerst schwierig.

Marschall Lannes begab sich nun zu den Bataillons, die hinter den nächsten Häusern und Mauern, zum Sturme bereit, versteckt lagen.

Von da bis zum Grabenrand, gegenüber der Bresche, betrug die Entfernung etwas über 200 Schritte und mußten die Sturmi colonnen diese Strecke völlig ungedeckt, über die Promenade zurücklegen.

'Freiwillige wurden vorgerufen.
Grenadiere vom 85. Regiment, brachen mit Leitern aus ihrem Verstecke und stürzten vor; allein sie wurden entweder schon auf dem Wege oder doch am Grabenrande von dem Kartätschen-*) und Flintenfeuer, der Besatzung des Walles und der nahe gelegenen Häuser, fast sämmtlich niedergestreckt.
Lannes forderte neue Freiwillige auf; sie eilten vor und hatten das nämliche Schicksal.

Bei einer dritten Aufforderung, zauderte die Mannschaft und wollte Niemand vorgehen; da sprang Lannes, mit der Brust voll Ordenszeichen vor, riß den Stern der Ehrenlegion ,von seiner Brust und zeigte ihn den Franzosen; es stürzten etwa Hundert herbei, unter denen sich viele Offiziere befanden; doch wollte es nicht gelingen auch nur eine Leiter auf den heißen Fleck zu bringen; denn sowie Einer an den Rand des Grabens trat, ward er weggeschossen.
 
Ein nochmaliger Aufruf blieb ohne Erfolg; auch die Tapfersten zagten; jetzt rief Lannes seinen Franzosen zu: „Jhr sollt sehen daß euer Marschall noch Grenadier ist!" und ergriff eine Leiter um sie selbst an Ort und Stelle zu tragen; seine Adjutanten, die Obersten Labsdoyöre und Marbot rissen ihm die Leiter aus den Händen; bei dem Anblick dieses edlen Wettkampfes drängten sich die Grenadiere in Massen vor, ergrissen die Leitern und durcheilten den Raum, das mörderische Feuer nicht achtend; die feindlichen Schüsse fielen mit größerer Hast und geringerer Sicherheit — in einem Augenblick wurden die Leitern angesetzt, der Graben zurückgelegt; Labödovere und Marbot an der Spitze der Sturmcolonnen, zeigten sich Hand in Hand, die Ersten auf der Bresche, und die Grenadiere folgten ihnen.
Bei diesem Anstürmen flohen die Oesterreicher; nur einige ungarische Grenadiere erwarteten die Franzosen, wurden aber von der Mauer herab in den Graben geworfen.



Das war der Durchbruch. die Franzosen konnten sich in den Wehrgängen an der Mauer entlang zum Peterstor durchschlagen und das Tor von innen her öffnen:


Ein Bataillon drang durch einen aufgefundenen gedeckten Gang, vom Wallbruch in die Stadt hinab.

Labödovere und Marbot eilten mit den Grenadieren des 85. Regiments, innerhalb der Mauer zum nahen Petersthor, wo eine Masse von Oesterreicher unter dem Gewölbe zusammengedrängt war. Erschrocken sich umgangen zu sehen und aufgefordert das Gewehr zu strecken, gehorchten die österreichischen Soldaten; die französischen Grenadiere arbeiteten sich durch ihre dichte Masse hindurch, beseitigten die Verrammlung, sprengten das Thor und eine bereitstehende zahlreiche Colonne, mit Marschall Lannes  an der Spitze des 85. Regiments,  drang in die Stadt ein, Alles vor sich niederwerfend, was einen Widerstand versuchte.  Es war zwischen 6 und 7 Uhr Abends.





 Einige Österreicher ergaben sich nun, andere flohen durch die Stadt und duellierten sich mit den Franzosen - was wegen der Pulverfässer gefährlich wurde:

Die Oesterreich« zogen sich fechtend von Gasse zu Gasse zurück; die Verwirrung und das Feuer griffen immer weiter um sich.
Die Jnfanterie Regimenter Zach und Zedtwitz konnten in ihrer getrennten Aufstellung längs der Umfassung nicht wahrnehmen, was an jedem einzelnen Theile derselben vorfiel, daher das Eindringen der Franzosen in die Stadt beinahe unbemerkt geschah; die schwache Besatzung sah sich zum größten Theile plötzlich umgangen und im Rücken gefaßt, weshalb auch jeder Widerstand von dem Augenblicke an, wo das Stadtthor geöffnet war, nutzlos erschien; nur weniger Mannschaft gelang es, noch rechtzeitig die Gefahr zu erkennen und sich über die Brücke nach Stadt am Hof 
zu retten, wo sie vom II. Armcecorps aufgenommen wurdet. allein der größte Theil der beiden Regimenter, in der Stärke von nicht über 2000 Mann, und der Kommandant G. M. Fölseis fielen, von der Armee abgeschnitten in Gefangenschaft.

Es war ungefähr 7 Uhr Abends als die Franzosen völlig Meister von Regensburg waren, wo nun alle Gräuel einer mit Sturm eroberten Stadt sich entfesselten. Marschall Lannes ließ die Wälle, die Thore und die öffentlichen Plätze besetzen.  
Aber einzelne österreichische Abtheilungen, leisteten, auf einigen Punkten und selbst mitten im Brand, der rasch um sich griff, noch verzweifelte Gegenwehr.  Jn einer der Hauptstraßen befand sich, zwischen brennenden Häusern, ein österreichischer Munitionspark; Marschall Lannes kam an der Spitze einer Colonne angerückt, als ein österreichischer Offizier den Franzosen zurief: „Nehmt euch in Acht, sonst fliegen wir Alle in die Luft! da liegen Pulverfäßer!" selbst Lannes entsetzte sich darüber; Franzosen und Oesterreicher brachen auf diesen Ruf das Gefecht ab und eilten, in der schrecklichen Allen drohenden Gefahr, gemeinschaftlich auf die Wagen, um die Munition aus den Flammen fortzuschaffen.


Das Gemetzel auf der Steinernen Brücke


 Wackenreiter, ab Seite 39:
Kampf um die steinerne Brücke.
Marschall Lannes bedacht, die Donaubrücke zu erreichen und dadurch der österreichischen Besatzung den Rückzug abzuschneiden und die Verfolgung zu vervollständigen, ließ — sogleich nach dem Eindringen in die Stadt — eine starke Colonne gegen diesen Punkt vorgehen; eine Abtheilung des Weges unkundig, wurde von einer sich da einfindenden französischen Frau, unter dem lebhaftesten Feuer vorgeführt.
Flucht und Drang führte die Oesterreicher und Franzosen zu gleicher Zeit, durch das diesseitige Brückenthor, auf die Brücke, Der von den Oesterreichern verrammelte jenseitige Brückenthurm hielt den Lauf der Franzosen auf, gab aber unvermeidlich die eigenen verspäteten Abtheilungen der Wuth des Gegners Preis.  Von dem Brückenthurm und den zunächst gelegenen Häusern richteten die Oesterreicher ein heftiges Gewehrfeuer auf die Franzosen ...
Damals gab es noch einen Turm am nördlichen Ende der Brücke, mit einer Art Stacheldraht und Schlagbaum, da es die Zollgrenze zum umliegenden Bayern darstellte. Statt am Hoff gehörte nicht zu Regensburg, sondern war Teil des umliegenden Bayerns. Es wurde erst nach 1900 eingemeindet.


Von dem Brückenthurm und den zunächst gelegenen Häusern richteten die Oesterreicher ein heftiges Gewehrfeuer auf die Franzosen, und von dem Dreifaltigkeitsberg schleuderten die Batterien Tod und Verderben, auf Kiefen Knäuel von Kämpfenden; Freund und Feind wurden von den Kugeln und Granaten niedergeschmettert.

F. Z. M. Kollowrat stand überdieß mit dem II. Armeecorps bereit, die Brücke und Stadt am Hof auf das Hartnäckigste zu vertheidigen. Nach vielem Blutvergießen mußten die Franzosen die Hoffnung aufgeben, nach Stadt am Hof vorzudringen und Marschall Lannes befahl, den Kampf abzubrechen.

Die Stadt wurde, unter dem Vorwande daß sie mit Sturm genommen, der Plünderung Preis gegeben; um wenigstens dem Feuer Einhalt zu thun, beorderte Marschall Lannes einige Bataillons zum Löschen.

Die französische Armee lagerte in der Stadt und Umgebung. Napoleon nahm, am Spätabend, sein Hauptquartier in der Karthause Prüll.