Regensburger Tagebuch

Notizen von der nördlichsten Stadt Italiens

Donnerstag, 2. April 2015

Haus der Musik Teil 4 - Historisches zum Präsidialpalais




Wie sah der Bismarckplatz aus, bevor das Präsidialpalais gebaut wurde, das heute "Haus der Musik" genannt wird? Und gibt es alte Fotos oder Zeichnungen?

Der folgende Artikel beschäftigt sich mit diesen Fragen und ist insoweit innovativ, als fehlerhafte Angaben in Wikipedia und auf anderen Internetdarstellungen korrigiert werden. Ich habe mich dabei vor allem an den neuesten Angaben in der Broschüre der Stadt Regensburg orientiert, dort vor allem am Aufsatz von Lena Stecker (S. 38 ff, Kapitel "Baugeschichtlicher Überblick") und Hermann Reidel (Kapitel über "Emanuel Joseph von Herigoyen")






Die grünen und die roten Mauern zeigen etwas Interessantes
Die grünen und die roten Mauern zeigen das Nebeneinander verschiedener Bau-Epochen. Wie hat sich der heute so genannte Bismarckplatz an dieser Stelle entwickelt?


1. Jahrhundert: Die Römer kommen. Westlich des Legionslagers entstand die zivile Lagervorstadt.

920 Stadterweitung unter Herzog Arnulf, über den heutigen Bismarckplatz und dort, wo das Präsidialgebäude steht, lief ein grabenbewehrter Doppelwall.

Im 12. und 13. Jahrhundert wurde das Gebiet, das auf einer leichten Anhöhe steht, "Rinderpühel" genannt, offenbar wurden dort Rinder verkauft oder sie weideten dort.

1229 Dominikanerkloster (Kirche St. Blasius, gegenüber Haus der Musik). Dominikaner versuchen, Parzellen aufzukaufen, was das Schottenkloster zu verhindern versucht.

1358/1359 Manghaus: die Stadt errichtet an der Stelle des heutigen Präsidialpalais ein  so genanntes Manghaus für die Tuchmacher und Färber. 

Wenn es gelegentlich heißt, Vorgängerbau wäre das Gebäude "Kornhaus vor Burg" , liegt wohl eine Verwechslung vor. Das  Kornhaus vor Burg wurde 1414  nicht an dieser Stelle errichtet, sondern etwa dort, wo heute das Theater steht. Der Bau wurde später abgerissen und durch das "Zeughaus" ersetzt, das bis kurz nach 1800 dort stand und dann erst durch den Theaterbau ersetzt wurde. Übrigens auch durch d Herigoyen.












1559 Verlegung des Manghauses an den unteren Wöhrd. In der Zwischenzeit gab es hier auch einen Getreidekasten über der Mang.

1569 wurde durch die Stadt Regensburg bzw. durch Stefan Fugger hier ein Getreidemagazin errichtet. An dieses schloss sich der städtische Marstall an, in welchem die Pferde für den städtischen Dienstgebrauch standen.. Das Erbauungsjahr ist durch eine Inschriftentafel am Sturz des Hoftores belegt. Ein Jahr später wurde der aus Holz errichtete Marstall eingewölbt, wohl die Räume des Südwesttrakts. 

1606 Erweiterung des Marstalls.

Das ganze Gebäude sei  in einer Stadtansicht von Hans Georg Bahre 1614 zu sehen, von dem man annimmt, dass es den Zustand vor 1606 zeigt. Ferner gibt es eine Zeichnung aus 1645, ebenfalls von Bahre, das den Zustand nach der Erweiterung zeigt. Leider habe ich bis heute keine Versionen der Bahre-Zeichnungen im Internet gefunden, die Originale liegen im Regensburger Museum.

Frederik de Wit, zwischen 1660 und 1706








Ausschnitt aus Stadtplan um 1700, BSB Codicon 400



 Folgender Stich bietet eine sehr interessante Ansicht aus 1721. Bei dem Bild geht es eigentlich um das Emmeramskloster (Hl. Marterberg), aber man kann auch die Umgebung studieren..








 
1766 Reparaturen am Gebäude. Das Gebäude wird in den Chroniken erstmals als fürstliche Stallung bezeichnet. Das bedeutet, dass spätestens ab hier das Gebäude nicht mehr für die städtischen Pferde verwendet wurde, sondern vom Prinzipalkommisar des Hauses Thurn und Taxis (diplomatischer Vertreter beim Reichstag) angemietet war.




Die zweite Phase - nach 1800

1803 war auf Anordnung Napoleons Regensburg in ein Fürstentum verwandelt worden. Den Status reichsunabhängige Stadt verlor es. Dalberg, ein Vertrauter Napoleons, regierte es bis zu seiner Auflösung 1810.
Als kunstsinniger Regent wollte er das Regensburger Stadtbild mit Bauwerken im modernen Stil seiner Zeit beleben, dem Klassizismus (= Nachahmung griechischer Architektur). Dazu beauftragte er Herigoyen. Das Palais war das erste Gebäude, das  Klassizismus  nach Regensburg brachte, das ansonsten den Anschluss an die Architektur-Entwicklung verpasst hatte und noch vom Mittelalter geprägt war.

Gegenüber wurde später das heutige Theatergebäude geschaffen, ebenfalls von Herigoyen,  und ebenfalls im klassizistischen Stil.

Dazwischen gab es eine Baum-Allee, so dass ein moderner Platz entstand.


Der Umbau zum Präsidialpalais

Um Platz für das Palais zu schaffen, störten der Getreidespeicher und der Marstall. Laut Wikipedia wurden sie abgerissen. Allerdings wurden sie nicht vollständig abgerissen - Herigoyen benutzte die Substanz der alten Gebäude und baute sie um. Das diente der Kostenersparnis.

Dabei wurden  die Räume innen dadurch etwas verworren und uneinheitlich.


Im Scheitel eines Tores auf der Westseite ist die Jahreszahl 1569 zu sehen, offensichtlich eine Spolie vom Vorgängerbau. Die Innenausgestaltung für das Palais übertrug Dalberg an seinen Direktionsrat Jakob Guiollett.


Die Schaufront des Gebäudes ist zum Bismarckplatz gerichtet; diese Front ist neunachsig. Dem Gebäude ist ein Portikus vorgesetzt, der von sechs mächtigen Säulen mit korinthischen Kapitellen getragen wird. Die Säulen ruhten auf hohen quadratischen Postamenten. Im Dreiecksgiebel ist das Wappen des Bauherren Carl von Dalberg angebracht. Es wird von Genien gehalten. Stuckierte Greife zieren den Fries zwischen Rundlöchern. Die Decke des Portikus ist kassettiert. Im Erdgeschoss sind Rundfenster eingebaut, die hohen Fenster in der Beletage sind rechteckig und mit einer geraden Verdachung versehen.

Eine breite Freitreppe führt zu einer modernen Springbrunnenanlage, die 1980/81 wegen des Baus einer Tiefgarage geschaffen wurde.










Aus einem ersten Entwurf








Nutzung des neuen Gebäudes

Auf Wikipedia heißt es weiter:
Das Präsidialpalais ließ der  Fürstprimas Karl Theodor von Dalberg 1804/05 von dem Hofarchitekten Emanuel Herigoyen errichten. Es sollte dem französischen Gesandten zum Immerwährenden Reichstag, Theobald Jacques Justin Baron de Bacher, als repräsentative Unterkunft dienen. 

Auch an dieser Stelle wird Wikipedia etwas unsauber.

Richtig ist - der Präsidialbau war 1804/1085 ursprünglich für die französische Gesandtschaft gedacht, obwohl sich damals schon abzeichnete, dass der Immerwährende Reichstag in Regensburg dem Ende zugeht.   Das war dann auch 1806 schon der Fall. Bis dahin diente es dem französischen Gesandten Theobald Jacques Justin Baron de Bacher. Danach aber, bis 1810, diente es dem neuen Gesandten Theodore Charles Comte d'Hedouville.

Erst als sich 1810 erneut alles änderte und Regensburg Teil von Bayern wurde, diente das Gebäude als Verwaltungsbau, später als Wohnistz der Generalkommissäre und Präsidenten des Regenkreises, später erst des Regierungspräsidenten der Oberpfalz (entgegen Wikipedia). Dabei bildete sich die Bezeichnung Präsidialpalais heraus. Man liest oder hört unter Kunsthistorikern und Architekten aber auch das Wort "französische Gesandtschaft".










Gegenüber: das "Neue Haus" mit dem Theater





Eine äußerst interessante Person: Herigoyen.

Über sie werde ich ein anderes mal berichten. Hier schon mal die Bildnisse, die ich von ihm gesammelt habe: