Regensburger Tagebuch

Notizen von der nördlichsten Stadt Italiens

Freitag, 14. August 2015

Und immer noch politisch aktuell - Musical "Cabaret" im Luisenburg.

Vor ein paar Tagen war der der letzte Auftritt: Das Broadway-Musical "Cabaret" in der Freilichtbühne von Luisenburg (Luisenburg-Festspiele in Wunsiedel).

Ich war bei der Premiere, auf Einladung von extra-radio Hof, einer herrlich lauen Sommernacht. Und ich ging mit Gänsehaut hinaus.


Vor knapp 40 Jahren hatte ich die Verfilmung des Musicals mit Liza Minelli im Ostentorkino gesehen.

Ich wusste zwar noch, wie genial der Film wie auch die einzelnen Musikstücke sind. Aber ich wusste nicht mehr, wie politisch das Stück ist. Und es passt hervorragend zu den heutigen rechtsradikalen Tendenzen in einigen deutschen Bundesländern.

Im Musical geht es um den zunehmenden NAZI-Einfluss im Alltag von Berlin in den zwanziger Jahren. Der Protagonist, ein in Berlin gastierender amerikanischer Schriftsteller, muss zusehen, wie sowohl seine große Liebe als auch die Schicksale anderer Menschen um ihn herum durch das zunehmende Gedankengut der marodierenden Nazi-Anhänger zerstört wird und reist am Ende ab - seine Geliebte zurücklassend, eine Kabarett-Sängerin, die auch weiterhin im Cabaret auftritt, obwohl dies mittlerweile in der Hand der Nazis ist.

Weder sie  noch die anderen Hauptfiguren wollen erkennen, wie gefährlich diese aufstrebende Partei ist. Das sind nur Kinder, sagt der jüdische Geschäftsmann wiederholt, wenn wieder mal sein Geschäft gesteinigt wird, nur Kinder, das vergeht wieder. Aber seine frische Liebe zieht sich zurück, um keine geschäftlichen Schwierigkeiten zu bekommen, genauso wie viele anderen sich arrangieren. Und Cliff Bradshaw, der Schriftsteller, muss angsichts der engstirnigen Arglosigkeit seiner Umgebung resignieren.

Die Abschluss-Szene, die in der Luisenburg-Version vom Regisseur Robin Telfer  inszeniert wurde, ist meines Erachtens genialer als im Film und fasst die Botschaft der gesamten Geschichte so schaurig gut zusammen, dass man sehr nachdenklich die Tribüne verlässt. Denn es wird einem auf mulmige Weise klar, dass das heute auch noch so läuft oder laufen kann: rechtsradikales, ausländerfeindliches Gedankengut wird einfach nicht ernst genug genommen und viel zu spät als Gefahr erkannt.

 

Das Musikal basiert übrigens auf zwei autobiographischen Romanen von Crhistopher Isherwood, der in den zwanziger Jahren in Berlin gastiete und diese in Mr. Norris steigt um (1935) und Leb wohl, Berlin (1939) verarbeitete. Daraus wurde später ein Schauspiel mit Namen I Am a Camera und im Jahre 1966 dann ein Musical mit Namen Cabaret (näheres hier)

Das Musical "Cabaret" lief in New York von 1966 bis 1969 und gewann 1967 den Tony Award für das beste Musical und jede Menge anderer Preise.  Es wurde 1987 und 1998 und 2004 erneut aufgeführt.

Für die Verfilmung im Jahre 1972 wurden ein paar weitere Lieder komponiert, nämlich die Lieder „Maybe this time“, „Mein Herr“ und  vor allem das sehr einprägsame „Money, Money“.

Das absolut geniale Stück "Money Money" wiederum könnte man eigentlich spätestens seit der Finanzkrise tagtäglich im Radio spielen, so aktuell ist es.

Wer den Film noch nie gesehen hat, sollte sich unbedingt via youtube oder über andere Quellen mit dem Musical beschäftigen. Es ist-  auch aus künstlerischer - Sicht einer der Meilensteine der Kulturgeschichte, die man kennen sollte. Er erhielt übrigens acht Oscars.







Die Reaktionen der Presse nach der Premiere am 03.07.2015 war übrigens absolut positiv:

„STANDING OVATIONS ZUR PREMIERE VON CABARET“  Extra-Radio

FURIOS PULSIERENDES MUSICALTHEATER (Michael Thumser, Frankenpost)

EINE ECHTE INSZENIERUNG "MARKE LUISENBURG" (Tobias Schwarzmeier von Der Neue Tag, Weiden)

EIN MEHR ALS GELUNGENER MUSICALABEND(Ulrike Sommerer, Nordbayerischer Kurier)



Inhaltsangabe:

Cliff Bradshaw, ein junger amerikanischer Schriftsteller, reist in den 20er Jahre nach Berlin, um dort einen Roman zu schreiben. Im Zug macht er die Bekanntschaft von Ernst Ludwig, der ihm ein Zimmer in der Pension von Fräulein Schneider vermittelt. Hier trifft er auf allerlei bunte Gestalten. Ernst Ludwig nimmt Cliff mit in den legendären Kit-Kat-Club, einem der zahlreichen Berliner Varietés, in denen bei aller Unterhaltung auch Kritisches und Kabrettistisches geboten wird. In diesem Club lernt Cliff die unwiderstehliche Sängerin Sally Bowles kennen. Sie ist der Star im legendären Club. Als Sally entlassen wird, nimmt sie Zuflucht in Cliffs Pensionszimmer, siw werden ein Paar und bald ist Sally schwanger.

Auch zwei anderen Pensionsbewohnern begegnet das Glück. Der Obsthändler Herr Schultz wirbt erfolgreich um Fräulein Schneider. Doch als sich auf der bald folgenden Verlobungsfeier herausstellt, dass Schultz Jude (und der als Gast anwesende Ernst Ludwig Nationalsozialist) ist, kann Fräulein Schneider sich der heraufziehenden vergifteten Atmosphäre nicht entziehen. Die Verlobung wird gelöst, Herr Schultz verlässt die Pension.

Nach dem Vorfall möchte Cliff sofort mit Sally nach Amerika zurück, denn er merkt sehr deutlich die aufziehenden braunen Wolken, wohingegen sie weiter von ihrer großen Karriere in Berlin träumt.

Links:


Ich bedauere, dass ich den Artikel nicht vorher fertigstellen und veröffentlichen konnte, aber es kamen einige unglückliche Ereignisse dazwischen.