Regensburger Tagebuch

Notizen von der nördlichsten Stadt Italiens

Donnerstag, 7. April 2016

Trotz Abriss - Straßenbahnrosette an Opitzklinik gerettet


2012-06-27 Die Opitz-Klinik beim ersten Sanierungsversuch im Jahr 2012. Foto Martin Kempter

Am vergangenen Wochenende wurde die stadtbekannte ehemalige  Opitzklinik abgerissen. Das Haus war zwar alt, und ist bei vielen Regensburgern mit Erinnerungen verbunden, stand aber nicht unter Denkmalschutz. Denn es war ein vielfach umgebautes und zuletzt als Sanierungsruine verwahrlostes Gebäude. Ein Münchner Investor hatte das Gebäude  zuletzt besessen, bis dann 2014 die Gläuber die Zwangsversteigerung betrieben. Der neue Besitzer zeigte der Lokalpresse, dass und warum das Haus nicht mehr zu retten war (Artikel von Julia Ried, MZ, 31.03.2016, "Der Abrissbagger kommt am Samstag")

Im Jahr 1900 hatte es der fürstlich Thurn und Taxisschen Oberdomänenrat, der Justizrat Dr. Alfred Diepolder, zunächst als sein Wohnhaus errichten lassen. 1929 baute es der Regensburger Arzt Dr. Franz Zeitler zur Privatklinik, seither war es als Zeitlerklinik bekannt. Als 1970 der Gynäkologe Dr. Georg Opitz den Bau übernahm, bürgerte sich rasch der Name Opitzklinik ein.   Viele berühmte und normale Regensburger haben dort das Licht der Welt erblickt. Die fürstliche Familie war nur eines der prominenten Beispiele.

Das Opitz-Haus und die Straßenbahn

An diesem Haus in der Luitpoldstraße 11b befand sich auf Höhe des ersten Stocks  eine Straßenbahn-Oberleitungsbefestigung. Diese  Straßenbahn-Rosette - oder bei anderer Betrachtungsweise 10 kg Alteisen mit Gummieinlage - hatte die Funktion, die Übertragung der Schleifgeräusche des Stromabnehmers auf das Haus zu dämmen.

Diese Rosetten sind Zeugen vom Verlauf der einstigen Schienenstrecken in der Stadt. Passen Sie mal auf, wenn Sie durch die Stadt spazieren - da gibt es noch so einige. An denkmalgeschützten Häusern wie dem Salzstadel und dem Golitathhaus wacht sogar die Denkmalschutzbehörde über diese Relikte.
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2016-04-02 15-49-32 Aufwändiger Abbruch des alten Gebäudes durch die Experten der Firma Dauerer. Noch ist die Oberleitungsrosette daran zu sehen

2016-04-02 19-10-10 Und hier hält Martin Kempter von der IG Straßenbahn e.V. das Stück in Händen. Vielleicht kann es eines Tages an seinen ursprünglichen Ort zurückkehren. Foto Kempter


 Für das Buch "Straßenbahn in Regensburg"  hat Martin Kempter, Gründungsmitglied in der Interessengemeinschaft historische Straßenbahn Regensburg e.V. , die noch erhaltenen Oberleitungsbefestigungen zusammengetragen, insgesamt 44 an der Zahl. Eine von Martin Kempter aufbereitete google-maps-Karte finden Sie hier: https://drive.google.com/open?id=0B94992KsGXbCMVVIYU5EdTJFcms

Am 4. Dezember 1926 ist dort das erste Mal ein Triebwagen vorbeigefahren, hat Martin Kempter rekonstruiert, anfangs bis zur Safferlingstraße, bald darauf schon bis zur Prinz-Rupprecht-Straße und seit 1936 bis zur Endhaltestelle Pürkelgut.

Als Martin Kempter, der vielen auch als Burgfriedensforscher bekannt ist,  am letzten Donnerstag aus der Zeitung vom bevorstehenden Abriss erfuhr, rief er sofort bei der Bauträger-Firma an - und stieß dort auf offene Ohren! Man sei sehr interessiert an der Geschichte des Gebäudes und dankbar für jede Information über das, was dort früher geschah.


Man werde versuchen, dieses Relikt der Straßenbahnzeit zu erhalten, hieß es. Eine Garantie gebe es allerdings nicht, da der Abriss sich aufgrund der maroden Bausubstanz alles andere als einfach darstellte. Das stimmte auch, ich habe den Abrissbeginn beobachtet. Der Bagger musste sehr vorsichtig vorgehen.

Tatsächlich kam dann am Samstag Nachmittag, 2.4. die freudige Nachricht: Dank der Umsicht der Baggerfahrer konnte das Teil unversehrt aus dem Mauerwerk gelöst werden. Es war mit zwei 25 cm langen, von Hand eingeschlagenen Mauerankern zwischen den Ziegelsteinen fixiert - ohne maschinelle Hilfe wäre es nur schwer zu entfernen gewesen.
1930 (2) Im Ausschnitt aus der Ansichtskarte ist deutlich die Oberleitungsbefestigung zu erkennen, an der Stelle, an der sie bis zum 2.4.2016 hing.

1930 (1) Die Zeitlerklinik bei ihrer Eröffnung im Jahr 1930. Ansichtskarte mit eine Aufnahme von Jacob Fränkel
1943 Die Zeitlerklinik um 1940. Foto Hans Storms


So gelangte also ein Stück Regensburger Geschichte in die Obhut der Straßenbahnretter.

Viel besser allerdings, als dieses Objekt nun losgelöst auszustellen, wäre es, es wieder an seinem ursprünglichen Ort zu den Vorübergehenden sprechen und davon künden zu lassen, dass hier einstmals die von vielen geliebte und seither vermisste Straßenbahn ihres Weges zog. Ob es möglich ist, das Relikt am oder im neuen Gebäude anzubringen, das an dieser Stelle entstehen soll, lässt sich erst im Zuge der weiteren Planung sagen. Immerhin zeigte sich der Firmeninhaber aufgeschlossen für diese Idee.

Der Dank von Herrn Kempter für diese Rettungsaktion gilt Herrn Balej und Frau Dr. Hoene von der Firma tectum baubetreuungs gmbh und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen vom Baggerbetrieb Dauerer aus Roding!

Es lohnt sich übrigens weiterhin, die Luitpoldstraße nach Spuren der Straßenbahn zu durchsuchen: Es gibt es dort immer noch vier Fassaden, an denen man auf Höhe des ersten Stockwerks diese eisernen Zeugen der Vergangenheit erblickt.

Autoren: Martin Kempter, Peter Burkes, 7.4.2016