Regensburger Tagebuch

Notizen von der nördlichsten Stadt Italiens

Samstag, 30. April 2016

Wellen der Wut

Ein Tipp: kaufen Sie die Wochenendausgabe der MZ. Dort ist ein wunderschöner Artikel von Isolde Stöcker-Gietl über Sterbehelfer im Johannes-Hospiz Pentling. Ganz generell berichtet die Zeitung lobenswert oft über diese ganz wunderbare Einrichtung, die es erst seit 1 Jahr gibt.

Johannes Hospiz, am östlichen Rande von Pentling

 
Mein Freund und Dozenten-Kollege Martin Gunther ist dort am Dienstag gestorben. Zwei Tage davor war ich das letzte mal dort, er erkannte zu diesem Zeitpunkt kaum noch jemand und schlief die meiste Zeit. Er hatte ein paar schöne Wochen dort und er genoss den Aufenthalt, soweit das ging.
 


Martin Gunther, gestorben 26.4.2016
im Alter von 50 Jahren.
Er war ein beliebter Dozent, intelligent, im privaten Bereich sozial engagiert, als Fotograf begnadet, und er war für seine Schlagfertigkeit und seinen trockenen Humor höchst geschätzt.

Gerade mal 50 Jahre alt wurde er, ist sowas zu fassen? Gegen den Hirntumor hat man wenig Chancen. Immerhin kämpfte er zwei Jahre lang dagegen an, was auch in ein paar Monaten hätte vorbei sein können.

Auch wenn wir Freunde Zeit genug hatten, uns zu "verabschieden", und der Tod fast wie eine Erlösung empfunden wurde, sind wir doch durch den Wind. Zuerst geht man souverän und gefasst damit um, lacht auch  dazwischen, wie es Martin ganz sicher auch getan hätte. Aber dann kommt in Schüben und Wellen eine unglaubliche Wut und Trauer, dass es einem den Atem raubt.

Mein letzter Spaziergang bei Pentling - 24.4.2016



Dabei ist das nicht die erste Sterbebegleitung. Mein Vater starb im Herbst und auch davor gab es ähnliche Abschiede. Aber es wird offenbar nicht besser dadurch. Im Umfeld sieht es nicht anders aus. Wir sind längst  in einem Alter, wo die berühmten "Einschläge" immer öfter und  näher kommen. Alterbedingte Einschläge, wie auch tragische Tode von viel zu jungen Menschen.

Mauricio hat gestern vorbeigesehen. Er erzählte mir, dass er vor ein paar Wochen auch einen Freund verloren hatte, gerade mal 47 Jahre alt, in Brasilien. Wir trösteten uns ein wenig, indem wir uns abwechselnd auf der Gitarre vorspielten.

Andere Bekannte haben in jüngster Zeit ebenfalls Angehörige oder Freunde verloren. Der Tod ist etwas alltägliches für uns, auch wenn wir gute Miene zum Alltagsspiel machen. Ein Memento Mori benötigen wir nicht, wir sind uns der Sterblichkeit ausreichend bewusst.




Anders offenbar die Leute auf Antenne Bayern, die täglich ihr Murmeltier-Morgenprogramm mit ausdauernder Eigenwerbung für ihre Maibaum-Party schmückt, als wenn das ganze Leben eine solche wäre. Unsereiner schüttelt  irritiert den Kopf - und hat entweder keine Kraft oder keine Lust, zum Wecker zu kriechen um ihn zum Schweigen zu bringen.


Ich würde gerne etwas mehr über Martin schreiben, aber ich habe noch nicht die Energie für einen Nachruf. Eine kleine Meldung in facebook war alles, was ich zusammenbrachte. Die Beerdigung ist am 11. Mai am Oberen Katholischen Friedhof, bis dahin ist noch Zeit.


Weihnachten schenkte ich ihm einen Thermos-Kaffebecher, der einem Objektiv ähnlich sieht. Martin war ein begadneter Fotograf, der mit diesem Hobby aber nie an die Öffentlichkeit ging. Ich lernte sehr viel von ihm, vor allem, wenn es um Studiofotografie ging.  Und ich wollte noch so viel von ihm lernen.


Hier bei einem Ausflug zum Dörnberggelände. Damals hatte er schon eine OP hinter sich. Fotografieren konnte er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr, da sein Gesichtsfeld durch die OP beeinträchtigt wurde.