Regensburger Tagebuch

Notizen von der nördlichsten Stadt Italiens

Sonntag, 24. Januar 2021

Das ehemalige Pestlazarett am unteren Wöhrd

 


Pesthof: das ehemalige Pest-Lazarett in Regensburg während der Epidemie 1713


Ich habe den Gebäudekomplex am Ostzipfel des Wöhrds bei bisherigen Artikeln als Pesthof bezeichnet. Viele Spaziergänge mit Yorki begannen dort. Der Begriff Pesthof war auch  die übliche Bezeichnung, und ich glaube, ein Hinweisschild am sanierten Komplex benutzt auch diesen Begriff. 

Es gab sogar eine Webseite mit diesem Titel, die eine Studentin verfasst hatte, die damals dort wohnte. Sie war die einzige, die sich die damals Mühe machte, die Geschichte des Hauses im Internet zu kommunizieren. Auf Wikipedia fand man nichts. Leider gibt es die liebevoll ausgestaltete domain nicht mehr.

Es handelt sich (im Kern) um zwei im Winkel stehende Gebäude, Wöhrdstr. 91 und 93, die mittlerweile von Nebengebäuden flankiert wird. Der Komplex wurde vor einigen Jahren saniert. 

Der Name kommt daher, da es 1635 und 1713 als Pestlazarett diente (auch "Pesthof" oder "Pestinhof"). Aber "ehemaliges Pestlazarett" ist die bessere Formulierung, denn unter diesem Begriff findet man auch Stiche oder Texte im Internet. Die Bezeichnung Pesthof  (oder "Pestinhof", wie es Walderdorf in seinem Werk "Regensburg in seiner Vergangenheit und Gegenwart" benutzte) könnte zu Verwechslungen führen. Bei Recherchen kommt man dann zu  Texten über einen "Pestinhof" in Regensburg, wobei allerdings eine andere Pestversorgungsstelle gemeint ist, die zur Zeit von 1713 am Minoritenweg existierte - dort wo heute das Gymnasium steht. 

Meine Spaziergänge mit Yorki begannen oft dort, am idyllischen östlichen Zipfel des unteren Wöhrds. Und diesen Spaziergängen habe ich es bekanntlicherweise zu verdanken, dass ich wieder zu fotografieren begann, und dass ich Interesse an der Geschichte von Regensburg entwickelte. 

Mit dem Pesthof oder besser dem ehemaligen Pestlazarett habe ich mich in diesen 14 Jahren immer wieder mal beschäftigt. Allerdings habe ich den Komplex nur selten fotografiert, und im Rahmen der aktuellen Recherche fand ich auf die Schnelle die Fotos nicht mehr. Also muss ein google-earth-3D-Screenshot reichen.


Wann der Gebäudekomplex gebaut wurde, konnte ich nicht herausfinden, aber offenbar gleich nach 1633. Denn es heißt bei Bauer ("Regensburg", von Karl Bauer), dass an dieser Stelle eine Pulvermühle stand, die 1633 zerstört wurde. Und weiter schreibt er, dass bereits 1634 ein Teil des (neuen Gebäudekomplexes) als Lazarett fungierte.

Im Gegensatz zum unermüdlichen und wissenschaftlichen Eifer von Karl Bauer ist meine Recherche-Zeit begrenzt und auf Internetquellen eingeschränkt,  und so sieht meine unverbindliche Zusammenfassung so aus:
  • Bau wohl 1633/34
  • Die östliche Behausung diente 1634/35 als Lazarett. 
  • 1641/52 Schießstätte. 
  • Ausbau als Lazarett 1652, weiterer Krankenhausausbau 1662.
  • 1694 Verwendung als Zuchthaus (Schöppler, S. 102)
  • 1713/1714 wurde es zum Pest-Lazarett umfunktioniert
  • Danach diente es zum Einquartieren von Truppen
  • später als Arbeits- und Correktionsanstalt (19. Jahrh.)

Es gibt abweichende Angaben, z.B. bei Walderdorf, oder bei dem Aufsatz von Schöppler "Die Geschichte der Pest in Regensburg" oder anderen Quellen. So lese ich dann z.B.: 1645 wurde ein Teil davon für kranke Soldaten hergerichtet (also interimische Krankenhausfunktion), 1649 wurde es bei der damaligen Pestwelle für Pestkranke benutzt, 1662 wurde es endgültig als Krankenhaus eingerichtet. Was genau stimmt, kann ich ohne intensivere Recherchen nicht feststellen. Aber mir war es eigentlich nur wichtig, den Pesthof bzw. das ehemalige Pestlazarett vorzustellen.


Während der Pest-Epidemie in 1713/1714 spielte das Lazarett eine große Rolle. Zunächst wurden die Kranken in einem "Pestinhof" im Minoritenweg untergebracht. Schnell merkte man 1713, dass der Pestinhof nicht reichte, zudem infizierten sich die Pfleger und verbreiteten die Seuche erst richtig. Man gab den Pestinhof auf und beschloss, künftige alle Pestkranken auf der Wöhrdinselspitze unter zu bringen. Dazu reaktivierte man das Gebäude als Pestlazarett, wozu es schon in den Jahren nach 1634 diente, und man begrub auch viele der  Toten dort.  Ein Begräbnis außerhalb der Stadtmauern war damals noch schlimm, noch dazu ohne Beerdigungsrituale. Für die Regensburger war das entsetzlich.

Eine genaue Schilderung gab der Seelsorger Ersamus Sigismund Alkofer in seiner Schrift "Das Regenspurgische Pest- Und Buß-Denckmahl", und es gibt einen Kupferstich von Weißhof (Weißhoff) über das "Regenspurger Pest-Lazareth" mit erschütternden Details. 

Darüber möchte ich in einem gesonderten Blogartikel berichten. Hier geht es mir mehr darum, den Gebäudekomplex als solchen vorzustellen, unabhängig von seiner Funktion im Jahre 1713.







ca 1914; aus Buch: Geschichte der Pest in Regensburg, 1914




Stich von Weißhof (Weißhoff) 1714


Ausschnitt; Pestlazarett und Begräbnisstätte


Pestinhof, bestehend aus Nr. 91 und Nr. 93

aus: Wikipedia, Liste der Baudenkmäler
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Baudenkm%C3%A4ler_in_Regensburg-W%C3%B6hrde









Ausschnitt aus: Regenspurgisches Pest- und Buß-Denckmahl, von Alkofer, 1714


Gedenkbild, aus: Die Geschichte der Pest in Regensburg, 1914, Seite 115


Zum Vergleich: östliche Wöhrdinsel 1705 (von Norden betrachtet)



Pastellbild vom Lazarett im alten Rathaus, hier sw-Foto im Buch "Die Geschichte der Pest in Regensburg" von Schöppler, 1914





Was mich bei meinen Recherchen über die Geschichte des Hauses verwirrt hat, war eine Angabe im höchst interessanten Buch "Die Pest 1713 in Regenspurg und Statt am Hoff", 2013 herausgegeben vom Heimatverein Statt am Hoff e.V. (nicht digitalisiert; Buch natürlich vergriffen). Dort heißt es auf Seite 18, dass man im Kampf gegen die Pestepidemien im Jahre 1503 am Unteren Wöhrd ein Pestinhaus eingerichtet hätte. Es kam wenige Jahre später zum Einsatz, und zwar bei einer Pestwelle im Jahre 1520, die zwei Jahre lang dauerte.

Das muss dann wohl aber ein anderes Gebäude gewesen sein, weiter im Westen in der Siedlung. Denn der heutige, als Pesthof bezeichnete Gebäudekomplex, entstand ab 1633,  und zwar angeblich auf den Resten der ehemaligen Pulvermühle. Auch Stiche aus dieser Zeit zeigen kein Gebäude in diesem Bereich.

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Ausschnitt aus  "Regensburg in seiner Vergangenheit und Gegenwart" von Walderdorf, ca 1869, 

Ein merkwürdiges Haus ist der ehemalige sogenannte Pestinhof am Spitz (H. 258 u. 259) Früher war hier eine städtische Schiessstätte (1641); 1645 wurden einige Zimmer für kranke Soldaten herausgerichtet, 1662 endlich ward das Gebäude vollkommen zum Krankenhause bestimmt. Während der Dauer der Pest (1713 u. 1714) waren hier die Pestkranken untergebracht und wurden auch im Garten beerdigt. Später wurde das Haus wieder zum Einquartieren von Truppen verwendet. in neuerer Zeit diente es als Arbeits- und Correktionsanstalt, wurde aber bereits vor mehreren Jahren verkauft.

Dass es 1645 z.T. als Krankenanstalt verwendet wurde, laß ich öfters, offenbar wurde es bei der Pestwelle 1649 speziell für Pestkranke benutzt.



aus: Die Geschichte der Pest in Regensburg, Schöppler, 1914


Nachtrag:

Siehe auch: https://www.regensburger-tagebuch.de/2021/02/die-pest-in-regensburg-wem-kommt-das.html mit vielen Details aus alten Stichen und gründlichen Informationen über die Pestwelle 1713