Bei der Durchsicht der Plattform "bavarikon.de" auf neuere Einträge stieß ich auf ein ungewöhnliches Fundstück: ein mir bis dahin völlig unbekanntes Aquarall von Lebschée. Es wurde zwar 1870 gemalt, soll aber den Zustand von Stadtamhof im Jahre 1600 zeigen.
Die Ansicht ist so ungewöhnlich, dass ich anfangs ein Fantasiegebilde mutmaßte. Da waren Türme, die scheinbar gar nicht existierten, und vom Dom im Hintergrund ist nichts zu sehen. Ich habe mir das Bild dann nochmal genauer angesehen, und zwar zusammen mit Martin Kempter, der zufälligerweise zu Besuch da war. Und dann entdeckten wir genug, um sagen zu können: die Ansicht ist realistisch.
Standort des Betrachters ist Steinweg, möglicherweise Alte Nürnberger Straße, unterhalb der Dreifaltigkeitskirche.
Man sieht vorne am Bildrand ein paar Häuser von Steinweg, dann die Felder bzw. das Überschwemmungsland zwischen Steinweg und Statt am Hoff, das man später als Protzenweiher-Areal bezeichnete (später Dultplatz, heute Kanal). Die scheinbare Brücke über dieses Areal ist nur die leicht erhöhte, mit Steinen befestigte Straße von Steinweg nach Stadtamhof (zum Vergleich: ein Bild aus 1809 aus Wackenreiters "Die Erstürmung von Regensburg" aus einem ähnlichen Blickwinkel, am Ende des Artikels)
Es gab damals einen Stadttor-Turm am Nordausgang von Stadtamhof, der existiert heute nicht mehr. Heute ist dort das Portal am nördlichen Ende der Straße "Stadtamhof", dort wo das Walhalla-Bockerl steht.
Der höchste Turm dahinter (in der Mitte des Bildes) ist der "schwarze Turm", der nördlichste der drei Türme der Steinernen Brücke
Links davon sind St. Mang und ganz links der Andreasstadel, rechts im Bild ist die Spitalkirche St. Katharina. Der kleinere Turm in der Mitte war mir zunächst unklar - ist ist wohl der südliche Brückturm (siehe weiter unten).
https://www.bavarikon.de/object/bav:HVO-OBJ-0000000HVBSB1034?lang=de
Ausschnitt |
Das damals existierende nördliche Stadttor von "Statt am Hoff", 1809 zerstört |
Das Haus in der Mitte ist wohl der Andreasstadel |
Mitte: vermutlich die damalige St. Mang-Kirche |
Loreto-Kapelle- Ausschnitt aus einer Grafik von 1651 https://regensburg-historisch.blogspot.com/2021/05/1651-st-mang.html |
Der mit Fragezeichen gekennzeichnete Turm dürfte der damalige Brückturm gewesen sein, also derjenige Turm, der von der Altstadt Regensburgs zur Steinernen Brücke führt. Der südlichste der drei Türme der Steinernen Brücke also.
Die Form hat mich zunächst irritiert, denn sie entspricht nicht dem heutigen Zustand des Brückturms. Wie ich dann herausfand, wurde der obere Teil des Turms nach dem 30 jährigen Krieg im Jahre 1648 "repariert" (Quelle) und dabei wohl in der Form verändert.
Ausschnitt aus Merian, 1644, Schöner Prospekt der Steinernen Brücken zeigt den früheren Zustand des Brückturms |
Der Brückturm heute |
Aus Wackenreiters Buch "Die Erstürmung von Regensburg":
Man sieht, wie sumpfig das Gelände war, das gleichzeitig als Überschwemmungs-Puffer für die Donau sorgte. Die meiste Zeit befand sich dort Wasser, man sprach deshalb vom Protzenweiher. Ältere Stadtamhofer kennen den Protzenweiher noch aus ihrer Jugend. Form und Lage veränderten sich natürlich immer mehr. Wegen des Weihers und des Sumpfes wurde der Weg durch Mauern und brückenähnlichen Konstruktionen gestützt. Siehe: http://www.regensburger-tagebuch.de/2011/08/die-protzenweiherbrucke-und-der-alte.html |
Zum Vergleich noch ein paar andere Stadtansichten von Stadtamhof:
Zunächst ein Ausschnitt aus einer Stadtansicht von Kirchmaier, 1589, noch stärker zoombar auf: https://www.bavarikon.de/object/bav:BSB-BAR-0000000000080759
Hier aus der gleichen Zeit (wahrscheinlich 1594) der Stich von Hufnagel im Städte-Buch von Braun/Hogenberg (Ausschnitt); Herstellzeitpunkt wird in wikicommons auf "1572 bis 1618" datiert, das Bild selbst gibt rechts unten 1594 an.