Regensburger Tagebuch

Notizen von der nördlichsten Stadt Italiens

Donnerstag, 30. September 2021

Lukasheva-Quartett - Gänsehaut-Jazz im Reichssaal

Ich möchte hier von einem Offenbarungsmoment erzählen, den ich diese Tage erlebte.

Anlässlich der 30jährigen Partnerschaft Regensburg-Odessa  hat man heuer, vom 17. bis 20. September 2021, eine Delegation aus der ukrainischen Partnerstadt nach Regensburg eingeladen. Darüber hatte ich bereits berichtet, auch darüber, dass die Stadt Regensburg die Besucher zu einem Konzert eingeladen hatte.

Dabei hat es die Stadt Regensburg geschafft, die international angesehene Jazz-Sängerin " Tamara Lukasheva" und ihr Quartett zu organisieren.  Das Konzert war öffentlich und kostenlos. Es war ursprünglich im Thom-Dittmer-Innenhof geplant, wurde aber wegen des Kälteeinbruchs in den historischen Reichssaal verlegt. Ich hatte das Konzert in meinem Bericht (https://www.regensburger-tagebuch.de/2021/09/mehr-als-30-jahre-stadtepartnerschaft.html) aus Zeitgründen nur kurz erwähnt.

Über diese Künstlerin und dieses Konzert möchte ich hier gesondert berichten.

Die ukrainische Tamara Lukasheva stammt auch aus Odessa und lebt seit 2010 in Deutschland. Das war natürlich ein guter Zusammenhang und wohl der Grund, warum die Stadt Regensburg genau diese Künstlerin für dieses Konzert engagiert.

Aber zufälligerweise gilt sie auch als eine der vielversprechendsten Jazzsängerinnen der jungen Generation. Sie hat seit ihrer Ankunft in Deutschland 2010 (seitdem lebt sie hier) jährlich mindestens einen Preis eingeheimst. Zuletzt in 2021, den WDR Jazzpreis in Komposition.  

Auch in Regensburg war sie schon, als sie 2015 im Rahmen des Jazzweekends auftrat. Das alles wusste ich damals nicht, ich war einfach neugierig auf das Jazz-Konzert und hatte die Karten schon frühzeitig gebucht. Über die Verlegung in den Reichssaal war ich angesichts des Wetters höchst zufrieden.


Tamara Lukasheva, 19.09.2021 im Reichssaal in Regensburg




Ansprache OB Maltz-Schwarzfischer (mit ukrainischer Übersetzerin)


Als ich mich vor Jahrzehnten mit dem Jazz beschäftigte, gab es ab und zu Offenbarungsmomente. Ich meine AHA-Momente, bei denen ich die Augen aufriss und mit Gänsehaut feststellte "Ach so geht Musik also auch!?" Das erste mal eine Shakti-Platte hören, das erste mal Bitches Brew, das erste mal Keith Jarrets "Köln Concert" oder das erste mal ein Abdullah Ibrahim Album erleben.

Dieser Abend war eine solche Offenbarung. Das war eine völlig unerwartete Darbietung von einer Ausnahmekünstlerin. Eine glasklare Stimme, ein unglaublicher Stimmumfang, jeder Ton wurde exakt getroffen, mal leise mal furios, und das alles in einer Art vorgetragen, wie ich es noch nicht erlebt habe. Ich kann auch auf keine youtube-Belege verweisen, denn nirgends fand ich ein Video, dass das Können wiedergibt, wie sie es in diesem Konzert bewies.

An manchen Stellen legte sie mit einer Stimme los, dass ich dachte "Die bräuchte kein Mikrofon, die könnte locker Opern singen".

Dass sie unter Insidern als international angesehene Ausnahme-Jazzsängerin gilt, wusste ich zu dem Zeitpunkt nicht, sondern erfuhr es erst bei nachträglicher Recherche. Dass sie der Musikjournalist Martin Koch anlässlich zweier Auftritte im Jahre 2015 als Vokalakrobatin, finde ich treffend. Und als ich las, dass sie früher tatsächlich in Opern mit gesungen hat, wurde meine Einschätzung bestätigt: sie ist wirklich etwas Besonderes.

Das im Reichssaal geladene Publikum war (umständehalber) kein Jazz-Publikum, das merkte ich bald. An den fetzigen Abschnitten wippte kaum ein Kopf mit, und die unglaubliche Darstellung wurde insgesamt letztlich mit eher bravem Applaus gewürdigt. Aber ich glaube, das Konzert hat ihr und den Musikern trotzdem Spaß gemacht.

Hier noch ein paar Informationen zu der Künstlerin.

Zwischen 2003 und 2007 studierte Lukasheva am Konservatorium in Odessa, zwischen 2010 und 2015 an der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Es gab Auftritte als Sopranistin in den Opernhäusern der Ukrain, und sie war fünf Jahre lang als Solistin in einer Bigband, die von Nikolay Goloshapov geleitetet wurde. Mit der Pianistin Roxsane Smirnova gründete sie das Horizon Duo, das 2011 ein Album einspielte. Sie trat auf dem International Jazz Festival Jazz-Carnival in Odessa, dem International Festival Varna’s Summer in Bulgarien und dem Festival Jazz Koktebel auf, das sie 2009 eröffnete.

Lukasheva zog 2010 nach Köln, wo sie an der Hochschule studierte, und gründete kurz nach ihrer Ankunft das Quartett.mit Sebastian Scobel, Jakob Kühnemann und Dominik Mahnig. In dieser Formation spielt sie bis heute.


Siehe auch:

Vorankündigung der interkulturellen Wochen und auch dieser Jazzveranstaltung:

https://www.regensburger-tagebuch.de/2021/09/interkulturelle-wochen-in-regensburg-18.html

Bericht von den Aktivitäten bezüglich 30 Jahre Städepartnerschaft im Rahmen der interkulturellen Wochen: