Regensburger Tagebuch

Notizen von der nördlichsten Stadt Italiens

Mittwoch, 20. November 2024

Landspezialitäten E. Kruschwitz - September 1967 bis September 2024


Foto: Sabine Seiler




17.09.2024 - es ist wirklich wahr. "Der Kruschwitz" ist weg (Foto: P. Burkes)






"... und es ist mir längst klar, dass nichts bleibt, dass nichts bleibt, wie es war." Diese schmerzlich-wahren Zeilen stammen aus einem  Lied von Hannes Wader aus den Siebzigern. 

Je länger man in Regensburg lebt, desto öfter erlebt man solche unangenehmen Veränderungen. So einige weggefallene Institutionen könnte ich hier auflisten. Nachdem wir kürzlich den Kaufhof verloren haben, folgte  jetzt auch noch der Laden "Landspezialitäten E. Kruschwitz" im Donaueinkaufszentrum. 

Dieser wunderbare Laden schloss mit dem 14. September 2024 - schlicht und einfach wegen Personalmangels. 

Das Datum ist denkwürdig. Exakt  57 Jahre zuvor nämlich, am 14. September 1967, eröffnete das Donaueinkaufszentrum, und "der Kruschwitz" war vom ersten Tag an Bestandteil Einkaufszentrums, das deutschlandweit Aufsehen erregte. Aber der Laden war nicht nur irgendein Bestandteil - der Laden war etwas besonders; er begeisterte die Regensburger. So gut wie jeder eingefleischte Einwohner kennt den Kruschwitz-Laden mit seinen wunderbaren Spezialitäten. Jeder schwärmt von etwas anderem. 

Da gab es die belegten Schwarzer Kipferl, die Fleischpflanzerl,  den Schwammerlsalat und andere leckere Salate, das Lupburger Bauernbrot. Gemäß einem Bericht von Marion Koller in der MZ waren die Schinkenkipferl mit geräuchertem Schweinebauch ein Renner und wurden von Busunternehmern und der Bahn geordert.

Ich persönlich musste meiner Tante immer die Regensburger Knackwürste besorgen - die akzeptierte sie nur vom Kruschwitz! Und meiner Mutter brachte ich die Original-Rohbratwürste vom Wurstkuchl, die es am Wochenende gab. 

Aus den Anfängen: "nimm dir was zum Stricken mit"

Ich möchte meine Leser auf einen herrlichen Filmbericht von TVA hinweisen, ein Interview mit Elisabeth Kruschwitz im Mai 2017. Sie hat den Laden von 1967  an bis in das Jahr 2005 geführt, bevor der Laden auf die Tochter und später auf die Enkelin übertragen wurde.

Elisabeth Kruschwitz und ihr Mann Ernst Kruschwitz hatten in den sechziger Jahren  in einer Samstagsanzeige davon erfahren, dass in einem noch zu bauenden Einkaufszentrum ein Pavillon zu vermieten sei. Beide betrieben damals eine Geflügelzucht in Burglengenfeld und verkauften das Fleisch und zugekauftes Brot ab Hof. 

Noch am selben Samstag riefen sie bei den Vielberths an, wurden gleich am Montag zum Gespräch empfangen, und kurz darauf wurde der Vertrag geschlossen. Am Eröffnungstag brachte Ernst Kruschwitz seine Frau zum DEZ und meinte: "Da nimmst du dir ein Radio mit, und Stricksachen". Er dachte, damit sie etwas zu tun hat, bis der nächste Kunde kommt. 

Das war natürlich nicht nötig. Als er sie abends abholte, merkte er was los war und besorgte erst mal was zum Trinken. Sie hatten dreimal so viel eingenommen wie an einem Tag in der Metzgerei daheim. 

Davor hatten sie aufgrund negativer Äußerungen im Umfeld Angst, dass der Laden nach vier Wochen wieder zu machen würde. Frau Kruschwitz schwärmte in dem Interview außerdem noch von unsagbar schönen Zeiten mit sympathischen Kollegen und viel Zusammenhalt. "Es war wirklich wirklich schön", sind die letzten Worte im Interview. 

Ein dreiviertel Jahr später, im Mai 2018, verstarb Elisabeth Kruschwitz. 

Bei dem Interview sieht man sie hinter der Theke mitarbeiten. Damals war sie aber nicht mehr Betreiberin, sondern ihre Tochter, die den Laden im Jahre 2005 übernommen hatte. Nochmal später, nämlich am 2. Januar 2019,  ging der Laden auf deren Nichte (und somit Enkelin von Elisabeth Kruschwitz) Susanne Seiler über.

Im eingangs erwähnten MZ-Bericht erfahren wir, dass es anfangs kein Lager gab, und auch keinen Kühlraum. So musste jeden Abend die Theke ausgeräumt werden, und Elisabeth Kruschwitz fuhr die Sachen in ihrem VW-Käfer zum Richthof in Burglengenfeld, wofür die Beifahrersitze ausgebaut wurden. Später gab es dann den Luxus eines VW Variants, der mehr Platz bot.


Personalnot führte zum Ende

Die 2019 eingerichtete Homepage ist noch auf dem damaligen Stand und mehr als Visitenkarte zu betrachten. Aber auf der facebook-Seite kann man die  Entwicklung verfolgen (siehe screenshots)

Ab August 2024 gab es Meldungen, dass personalbedingt nur bis 18 Uhr geöffnet sei, später wurde dann auch der Start auf 10 Uhr verlagert und mittendrin hieß es, dass man am speziellen Tag personalbedingt schon  um 15 Uhr schließen müsse. Der genannte MZ-Bericht schildert genauer die Hintergründe zur Personalnot. 

Eingeschränkte Öffnungszeiten funktionieren natürlich im Donaueinkaufszentrum auf Dauer nicht. Es war die ganzen Jahrzehnte hindurch  wichtiger Bestandteil aller Mietverträge, dass die Läden in vollem Umfang geöffnet sind, sonst wirkt sich das auf die übrigen Mieter nachteilig aus. Das ist auch verständlich, und hat zu einem Ruf der Verlässlichkeit bei den Regensburgern geführt. Wer nach Feierabend überlegte, etwas im DEZ zu besorgen, konnte sich auch darauf verlassen, dass alle Geschäfte offen sind. 

Da die Personalnot nicht beseitigt werden konnte, musste der Vertrag beendet werden, heißt es indem MZ-Bericht. Die Inhaberin Susanne Seiler führte wohl noch Gespräche mit örtlichen Metzgereien wegen einer Übernahme, und die waren durchaus nicht abgeneigt. Aber sie lehnten letztlich auch wegen Personalknappheit ab.

Auch für das DEZ ist das Ende nicht gut. Der MZ-Bericht schildert, dass bis zu 500 Leute täglich an dem Laden Schlange standen.

Viele Leute fragen, ob es eine Filiale gibt, oder gar einen Hauptbetrieb.  Nein, den gibt es nicht. Es gab nur den Laden im Einkaufszentrum - der Laden war also in jeder Hinsicht "einmalig". 

Nachtrag

Frau Seiler hat mir nicht nur eine Foto vom eingerichteten Laden zur Verfügung gestellt, sondern auch abschließende Gedanken mitgegeben:

Es war wahrlich keine leichte Entscheidung, aber leider war sie tatsächlich alternativlos. „Irgendein“ Personal welches nicht in die „Kruschwitz-Familie“ gepasst hätte, oder gar ein Automat hätte nicht nur den Erwartungen unserer vielen, lieben (Stamm-) Kunden nicht entsprochen sondern hätten unserem Ruf nicht gerade gut getan. 
So können wir, die ganze Familie und natürlich auch ich, erhobenen Hauptes sagen „Es waren 57 wunderbare Jahre, aber die Zeiten haben sich leider geändert. Und wer nicht mit der Zeit geht (oder aufgrund des Konzeptes gehen kann), der geht mit der Zeit“. Das ist hart, aber herzlich - wie es so schön heißt. Alle anderen möglichen Konzepte wären auch nicht „der Kruschwitz“ gewesen … und somit ist die Situation nun leider so wie sie ist.



Screenshots von der Facebook-seite:
























Quellen:

Drastische Personalnot: Beliebtes Delikatessen-Geschäft sperrt zu
12.09.2024 . Marion Koller, MZ
https://www.mittelbayerische.de/lokales/stadt-regensburg/drastische-personalnot-beliebtes-delikatessen-geschaeft-sperrt-zu-16973546

Ostbayern persönlich: Elisabeth Kruschwitz, 10.05.2017

Und zum Lied von Hannes Wader hier ein Link für meine jüngeren Leser:
https://de.wikipedia.org/wiki/Heute_hier,_morgen_dort